Umfrage zum GDL-Bahnstreik: Das sagen die Betroffenen zu den Zugausfällen | Aktuelle Nachrichten und Informationen

Die GDL hat zu einem der längsten Bahnstreiks aufgerufen. Trifft der Protest bei den Bürger:innen auf Verständnis? Wir haben in einer Umfrage nach eurer Meinung gefragt.

Umfrage zum GDL-Bahnstreik: Das sagen die Betroffenen zu den Zugausfällen

Erst vor kurzem wurde der Augsburger Hauptbahnhof nach langen Renovierungsarbeiten wieder eröffnet – zumindest ein Teil davon. Nun laufen wir durch die lange Verteilerebene, doch Menschen sind dort kaum vorzufinden. Der Grund ist allerdings nicht, dass der barrierefreie Hauptbahnhof bei den Bürger:innen keinen Anklang findet. Stattdessen ist die Ursache in einem weiteren Streik der GDL zu finden, der den Personenverkehr für ganze fünf Tage lahmlegen soll. Dabei scheint noch immer kein Ende in Sicht zu sein. Bereits seit Monaten verhandeln die GDL und die Deutsche Bahn über einen neuen Tarifvertrag, doch trotz verschiedener Annährungsversuche konnte bislang keine Einigung erzielt werden.

Unzufriedenheit der Bevölkerung und Stellungnahmen in Augsburg

Der Lokführerstreik trifft in großen Teilen der Bevölkerung auf Unmut. Dies zeigte eine aktuelle Umfrage von „YouGov“. Demnach nehmen 59 Prozent eine ablehnende Haltung ein, während lediglich 34 Prozent Verständnis für den Ausstand äußerten. Das Institut befragte nach eigenen Angaben 4.124 Personen in Deutschland ab 18 Jahren.

Doch wie ist die Stimmung zu dem erneuten Streik in Augsburg? Wir waren am Hauptbahnhof und haben einige Passagiere befragt. Die Namen haben wir aufgrund datenschutzrechtlicher Aspekte durch fiktive Charaktere ersetzt.

  • „Claus Weselsky möchte sich in seinen letzten Tagen noch ein Denkmal setzen.“

Oliver Heine war einst in der Fahrzeugüberführung tätig und ist derzeit täglich mit dem Zug unterwegs. Auf die Frage nach dem Streik schüttelt er nur den Kopf. „Der GDL-Chef möchte sich kurz vor seinem Ruhestand nochmal in die Schlagzeilen bringen. Da geht es nicht mehr um eine bestmögliche Lösung, sondern um reine Selbstdarstellung“, bedauert der Augsburger und ergänzt: „Doch was er dadurch verliert, nämlich die Gunst der Fahrgäste, das sieht er nicht.“

  • „Die Züge in Deutschland sind immer so spät – aber ich habe Zeit.“

Sie hat bereits eine lange Reise hinter sich: Seit knapp zehn Tagen ist Marie Durand mit dem Zug unterwegs. Gestartet von ihrem Heimatort Cannes in Frankreich fährt sie seitdem mit dem Interrail Pass durch verschiedene Länder. Marie spricht nur gebrochen Deutsch, weshalb wir sie auf Englisch zu dem Streik befragen. „Um ehrlich zu sein, habe ich gar nicht so ganz verstanden, was da gerade passiert“, gesteht die 26-Jährige. „Doch für mich ist das kein Problem, denn ich habe den ganzen Tag Zeit. Schon vor dem Streik waren die Züge hier immer zu spät – und jetzt eben nochmal mehr.“ Zwar habe sie sich Ziele gesteckt, welche Städte sie in den nächsten Wochen noch bereisen wolle, doch komme sie erste einen Tag später dort an, sei das auch kein Problem. „Als nächstes geht es für mich nach Zürich“, erklärt sie stolz. Dort kann sie sich dann wieder auf pünktliche Zugverbindungen freuen, denn die Deutschen Bahn fährt nur bis zur Grenze. In der Schweiz hatten die DB-Züge vergangenes Jahr für Ärger gesorgt, da deren Verspätungen „negative Auswirkungen auf die Pünktlichkeit der Züge innerhalb der Schweiz“ gehabt hatten. Das Resultat: Ein Einfuhrstopp für die Deutsche Bahn.

  • „Go-Ahead fährt und das interessanterweise pünktlicher als zuvor.“

Es ist ein tägliches Glücksspiel: Kommt der Zug? Ist er pünktlich? Das Leben als Pendler:in ist nicht immer leicht. Gerade in den Wintermonaten kann es zu langen, kalten Stunden am Bahnsteig kommen. Die Winterfestigkeit der deutschen Züge wurde in den vergangenen Monaten bereits mehrfach auf die Probe gestellt – und hat nicht immer bestanden. Klaus Heinzmann fährt jeden Tag zwischen Augsburg und München hin und her, sodass er mit diesen Strapazen bestens vertraut ist. Was sagt er zu dem Protest der GDL? „Für München-Pendler ist der Streik kein Problem, denn Go-Ahead fährt weiterhin und das interessanterweise pünktlicher als sonst“, erklärt der 54-Jährige. „Vielleicht tut man ihnen also oft Unrecht, und die üblichen Verspätungen kommen von der hohen Auslastung der Strecke und den Verspätungen der Deutschen Bahn…?“, fragt sich der Augsburger. Schon mehrfach hätte es Situationen gegeben, in denen er an der guten Zusammenarbeit seitens der DB mit Go-Ahead gezweifelt hatte.

  • „Früher wussten wir noch, was arbeiten bedeutet.“

Charlotte Weigel weiß den neuen Hauptbahnhof zu schätzen. Sie selbst ist mit Rollator unterwegs und besucht regelmäßig ihre Schwester in Friedberg mit dem Zug. „Ich bin schockiert, wenn ich mir die Nachrichten anschaue“, betont die 82-Jährige immer wieder. „Überall Streik, Streik, Streik“, murmelt sie weiter. Doch dann schüttelt sie entschlossen ihren weißgelockten Kopf. „Die anderen Demonstrationen verstehe und befürworte ich – aber das mit der Deutschen Bahn?! Weniger Arbeiten, mehr Lohn, keine Kompromisse – in was für einer Welt lebt dieser Mann?“, fragt sie energisch. Laut ihr solle die Deutsche Bahn nicht nachgeben, denn dann würden die nächsten utopischen Forderungen folgen. „Früher, da wussten wir noch, was Arbeit bedeutet“, sagt Charlotte. Damit ist für sie alles gesagt. Sie dreht sich um und geht.

  • „Der Ruf der Deutschen Bahn ändert sich: Bisher sagte man, sie kommt zu spät, jetzt kommt sie gar nicht mehr.“

Carina Nordmann fährt nur selten Zug, dennoch verfolgt sie den Streik der GDL in den Medien. „Es ist eine schwere Frage“, bemerkt die 32-Jährige. „Natürlich muss man auf Missstände hinweisen können und von seinem Demonstrationsrecht Gebrauch machen. Doch der Ruf der Deutschen Bahn verschlechtert sich immer mehr, sodass man von ‚sie kommt zu spät‘ zu ‚sie kommt gar nicht‘ gelangt ist.“ Dabei seien doch die öffentlichen Verkehrsmittel die nachhaltige Alternative, die man im Gegenzug zum Auto freiwillig wählen sollte.

  • „Wenn die Deutsche Bahn das Fortbewegungsmittel der Zukunft sein soll, dann können sie sich das nicht erlauben.“

Hans Wiegel kommt gerade in die Eingangshalle rein. Er blickt auf die Zugverbindungstafel und schüttelt genervt den Kopf. „Für den Streik habe ich kein Verständnis mehr“, erklärt der 52-Jährige und fährt fort: „In meinen Augen ist die Deutsche Bahn der GDL schon genug entgegengekommen. Man muss sich auch mal auf Kompromisse einlassen.“ Der Streik treffe vielmehr die Kund:innen, die bei diesem Arbeitskampf völlig unbeteiligt seien. Dazu betont er: „Vor allem die Berufspendler, die ihre Reise nicht verschieben können, sind die Leidtragenden!“

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Doch worum geht es bei dem Streik eigentlich konkret? Ein Überblick:

Die zentralen Forderungen der Lokführergewerkschaft sind unter anderem die Reduzierung der Wochenarbeitszeit der Lokführer:innen auf 35 Stunden ohne Gehaltskürzung, eine Inflationsausgleichsprämie und eine grundsätzliche Fünf-Tage-Woche für Gewerkschaftsmitglieder. Diese Maximalforderungen lehnte die Deutsche Bahn allerdings ab und versuchte, den Tarifkonflikt durch verschiedene Angebote zu stillen. GDL-Chef Claus Weselsky fordert jedoch noch immer mehr Entgegenkommen von der Bahn und kritisierte am Mittwoch im ZDF-Morgenmagazin: „Was die Deutsche Bahn AG macht, ist nichts anderes als die wiederholende Ablehnung aller Forderungen.“ Aus diesem Grund sei der mittlerweile vierte und längste Streik in seinen Augen notwendig. Doch wann werden die Verhandlungen nun fortgesetzt? „Sobald die Deutsche Bahn von ihrem hohen Ross runterkommt“, sagt Weselsky. Von dem Streik ausgenommen sind Privatbahnen wie Flixtrain und das britische Verkehrsunternehmen Go-Ahead. Letzteres einigte sich bereits Anfang des Jahres mit der GDL auf einen Kompromiss-Tarifvertrag.