Unfreundliche Grießkrämer in Lederhose, die in der einen Hand eine Leberkässemmel und in der anderen ein Bier halten, während sie schmatzend über die Münchner herziehen. Verständlich ist dabei kaum ein Wort. Liegt das an dem vollen Mund oder dem unverständlichen Dialekt? Diese Frage bleibt wohl offen. – Das ist wahrscheinlich das Bild, das man von einem typischen Bilderbuch-Augsburger im Kopf hätte, würde man den Klischees über diese Glauben schenken. Doch wir können euch beruhigen: Die Realität sieht anders aus.
Nicht geizig, sondern sparsam
Die Sparsamkeit der Schwaben ist im Volksmund fest verankert und wird durch zahlreiche Witze stets weiter manifestiert. Auch die Augsburger haben mit diesem Vorurteil zu kämpfen. Besonders aus der Sicht von Handels-Unternehmen geht diese Abstempelung allerdings noch einen Schritt weiter, sodass viele Unternehmen in Augsburg eine Teststadt sehen, um ihre neuen Produkte auf dem Markt zu versuchen. Dabei gilt in ihren Augen der alte Frank-Sinatra-Satz: „If I can make it there, I´ll make it anywhere.“ Doch was macht die Augsburger Kund:innen aus?
Der Wirtschaftsgeograf Thomas David sieht in der Stadt das zahlreich auftretende Phänomen des „paradoxen Kunden“. Gegenüber der Süddeutschen Zeitung erklärt der Doktorrand am Lehrstuhl für Humangeografie der Augsburger Universität die multiple Persönlichkeit solcher Käufer:innen: „Sie kaufen nach dem Sowohl-als-auch-Prinzip, das heißt, mal qualitativ hochwertige, mal preiswerte Produkte, mal eine Armbanduhr für 1000 Euro beim inhabergeführten Juwelier, mal ein Fünferpack Socken bei C&A für zehn Euro.“ Dadurch vereinen sie verschiedene Konsummuster in einer Person, halten sich alle Optionen offen und wechseln zum Leidwesen der Händler:innen häufig zwischen den Alternativen hin und her. Für die Unternehmen ist dieses Verhalten dabei nur schwer einzuschätzen.
In dem Artikel der Süddeutschen über das Konsumverhalten in Augsburg wird zum Abschluss noch ein Resümee über deren Einwohner:innen aus unternehmerischer Sicht gezogen. Dabei heißt es: „In Augsburg lebt und kauft der Durchschnittsdeutsche, der Otto-Normal-Verbraucher, […]. Nicht reich, nicht arm, durchaus sparsam, aber auch zu kleinen Verrücktheiten bereit.“ Was sagt ihr – haben sie die Augsburger:innen damit auf den Punkt getroffen?
Nuscheln im Augschburger Dialekt
„Was hat er gesagt?“ – Diesen Satz bekommen die Augsburger oft zu hören, denn mit dem Dialekt haben Außenstehende schnell ihre Probleme. Ob es jetzt wirklich an der Wortwahl selbst liegt oder an dem Genuschel der (Vorsicht, nächstes Vorurteil!) grantigen Augsburger:innen? Das sei mal dahingestellt. Doch so schwer ist der Dialekt eigentlich nicht: Das Fundament bilden die drei Buchstaben „sch“ und baut ihr diese überall mit ein, macht ihr schon einmal wenig falsch. Außerdem kann man damit allerhand verkürzen, beispielsweise wird „weißt du“ zu „woisch“ und „machst du“ zu „machsch“. Das einzige Problem kann die Uhrzeit werden, denn hier kann es dann doch schnell zu Unstimmigkeiten kommen. So sagt man in Augsburg zu 9:45 Uhr nicht „viertel vor zehn“, sondern stattdessen „dreiviertel zehn“. Hier ist als Außenstehender also Vorsicht geboten: Erscheint ihr nach einer solchen Aussage erst um 10:45 Uhr zum verabredeten Treffpunkt, dann könnt ihr euch auf noch schlechter gelaunte Augsburger:innen freuen als sie es (laut Vorurteilen) eh schon sind.
Mehr über den Augsburger Dialekt könnt ihr in diesem Artikel lernen:
Lachen? – Nein, danke
Die Augsburger gelten weit über die Stadtgrenzen hinaus als Grantler:innen und sollen sich durch ihre verschlossene sowie wortkarge Art auszeichnen. Das Newsportal t-online suchte im Mai einige Spitzen aus einem Leserbrief heraus, den ein gebürtiger Münchner im Jahr 2019 in der Süddeutschen Zeitung veröffentlichte. Darin lautet eine Phrase „Lachen ist nur unerkannt und in der Dunkelheit erlaubt“. Des Weiteren heißt es: „In Augsburg ist der Klimawandel noch nicht angekommen. Es bleibt weiterhin frostig.“ Doch eine Umfrage des amerikanischen Unternehmens „Preply“ aus dem Jahr 2022 zeigt da andere Ergebnisse. Während die drei unhöflichsten Städte demnach Essen, Dresden und Frankfurt sind, so fand Augsburg in dem Ranking keinen Platz. Stattdessen haben es unter anderem München, Köln, Berlin und Dortmund noch unter die Top 10 geschafft.
Doch auch innerhalb der Stadtgrenzen hält sich ein weiteres Vorurteil, das – und das müssen wir auch zugeben – einen wahren Kern trifft. Denn Unfreundlichkeit ist das eine, doch eine extreme Lärmempfindlichkeit etwas anderes. Und offenbar scheinen die Augsburger:innen mit Wohnsitz in der Innenstadt ein ausgesprochen feines Gehör zu haben, denn in erster Linie die Bar- und Clubbesitzer:innen leiden unter den ständigen Beschwerden der Anwohner:innen.
Nur eine Vorstadt von München?
Bereits Bert Brecht sagt Überlieferungen zufolge wohl „Das Beste an Augsburg ist der Zug nach München“. Doch ist da etwas dran? Fragt man einen Augsburger danach, wird dieser sofort den Kopf schütteln. Stattdessen steckt man damit den Finger in eine alte Wunde, denn viele Bewohner:innen der Fuggerstadt leiden unter dem aufgedrückten Stempel der „Münchner Schlafstadt“. Tatsächlich gibt es viele Pendler:innen, die aufgrund der hohen Mietpreise ihren Wohnsitz lieber nach Augsburg legen. Dies geht allerdings nicht mit einer Abwertung der Stadt selbst einher, denn aus der Perspektive vieler kann die Landeshauptstadt nicht mit der wunderschönen Altstadt, dem großen Siebentischwald sowie dem bunten kulturellen Angebot mithalten. Viele Augsburger:innen lehnen außerdem die in ihren Augen überhebliche und selbstgefällige Art der Müncher:innen ab.
Jede Zeit ist Volksfest-Zeit
Das letzte Klischee trifft die ganze bayerische Kultur, denn das Bundesland ist bekannt für seine Volksfeste mit Bier, Lederhosen und Leberkäse. Zwar lässt sich nicht abstreiten, dass diese drei Dinge fester Bestandteil unserer Kultur geworden sind – dennoch bleibt die getragene Lederhose außerhalb des Plärrers und der Dult in Augsburg eine Seltenheit. Auch das Bier trinken die Einwohner:innen zwar gerne, doch (zumeist) auch nicht im Übermaß. Und wenn es um den Leberkäse geht: Der ist zwar auf vielen Speisekarten der Augsburger Gastro vertreten, doch gibt es in der Stadt ein buntes und vielfältiges Essensangebot. Welche Restaurants ihr unbedingt mal ausprobieren solltet, erfahrt ihr hier: