Mehr als vier Jahre lang hielten die Aktivist:innen in der Augsburger Innenstadt Stellung. Und das Tag und Nacht, denn nur dann konnte der Fortbestand des Camps sichergestellt werden. Mit den Sanierungsarbeiten am Rathaus soll nun auch das Klimacamp wegfallen – zumindest vorerst.
Umzug und Auflösung im Dialog mit der Stadt
Es sind noch knapp zehn Tage, an denen das Klimacamp auf dem Rathausplatz stehen soll. Ab August wird dann der Platz geräumt und der Fischmarkt erstmals seit mehreren Jahren leer sein. Dieser Rückzug ist laut Aktivist:innen des Klimacamps selbst gewählt. So wird betont: „Wir sind ständig in Dialog mit Stadtregierung, -verwaltung und Ordnungsbehörden. Mal in Kooperation, mal konfrontativ.“ Auch Ausweichorte für ein Dauercamp gäbe es, doch habe man sich innerhalb des Camps noch nicht darauf festgelegt, ob man das wirklich wolle. „Sie sind alle nicht publikumswirksam und der direkte Kontakt zu den Stadträt:innen fehlt“, erklärt Vivian vom Klimacamp. Aus diesem Grund wolle man sich vorerst aufteilen: Ein Teil der Infrastruktur gehe nach Reichling, um die dortige Initiative im Kampf gegen Erdgasbohrungen zu unterstützen. Ein anderer Teil der Aktionsmaterialien werde an einem weiteren Ort gelagert und für dezentrale Aktionen in Augsburg verwendet. So wolle man hier auf den Raum zurückgreifen, den die Stadt den klimaaktiven Gruppen in einer Sitzung im Jahr 2022 versprochen hätte. Dieser wurde allerdings laut Aktivist:innen noch nicht umgesetzt. „Wir erinnern regelmäßig daran, dass Beschlüsse auch umzusetzen sind“, kritisiert Vivian und ergänzt, dass sich dies auch auf weitere klimarelevante Beschlüsse der Stadt Augsburg beziehe, deren Realisierung noch auf sich warten ließe.
Neue Formate des Protests und Pausierung des Camps
Nachdem die Stadtregierung in den Jahren des Umbaus auf verschiedene Orte in Augsburg ausweichen muss, wollen sich die Aktivist:innen an dieses Modell anpassen. „Es ist wahrscheinlich sinnvoller, überall dort aufzutauchen, wo sie auch sind“, sagt Vivian. „Schnell und flexibel sind wir ja.“ Auch weitere Aktionen seien laut Aktivist:innen in verschiedenen Formaten, beispielsweise durch ein Pop-Up-Klimacamp geplant. So wird versprochen: „Wir haben vier Jahre lang einen sehr präsenten Ort aufrechterhalten, der so viel Projektionsfläche geboten hat für die Hoffnungen von Menschen, auch für Ängste und Wut. Das werden wir weiterhin bieten. In anderen, auch überraschenden Formaten.“ Ingor Blechschmidt, Mitinitiator des Klimacamp Augsburg, betont: „Natürlich behalten wir uns vor, zusätzlich zu kurzfristigen Klimacamps wieder ein stationäres zu errichten, wenn wir ein solches wieder für am zielführendesten halten.“ Aus diesem Grund werde das Camp beim Ordnungsamt auch nur für unterbrochen und nicht für beendet erklärt. Auch eine Rückführung einhergehend mit der Fertigstellung des Rathauses im Jahr 2026/27 könne man sich vorstellen. Vivien betont: „Wir kommen nur dann nicht zurück, wenn die Stadt ihrer Verantwortung nachkommt und beispielsweise der Rathausplatz mit 100 Bäumen begrünt ist.“
Kritik an der Stadtregierung
An Oberbürgermeisterin Eva Weber wird in der Stellungnahme scharfe Kritik gerichtet. „Die Stadt soll ihren Gestaltungsspielraum nutzen, anstatt die Verantwortung für klimabewusstes Verhalten vorrangig auf Privatpersonen abzuwälzen, ohne aber die dafür notwendigen strukturellen Rahmenbedingungen zu schaffen“, so Elisabeth Englram, Fachärztin für Anästhesiologie und Aktivistin des Klimacamps. Auch Vivian unterstreicht dies: „Wir haben manchmal den Eindruck, die Politiker:innen hoffen aus der Verantwortung zu kommen. Nach dem Motto: die Feuerwehren werden uns schon helfen und retten, mit ihren Pumpen und Sandsäcken und Wasserschläuchen. Frau Weber inszeniert sich als krisenfest, mit Einsatzjacke und Notlösungen. Wir glauben nicht, dass das funktionieren wird.“ Insgesamt war die Oberbürgermeisterin nach Angaben des Klimacamps nur einmal zu Besuch im Klimacamp – und das war in der ersten Woche, um „ihre Räumungsabsicht kundzutun, mit der sie letztlich vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof scheiterte.“
Ein Blick zurück auf die Zeit des Klimacamps
Für viele Aktivist:innen geht die kommende Pausierung mit einem Schwelgen in Erinnerungen einher. Bei −15°C, Starkregen, Stürmen, egal ob Weihnachten oder Prüfungszeit, rund um die Uhr ohne Unterbrechung seien sie da gewesen, erzählt Softwareentwicklerin Stefanie Metzger. Des Weiteren werden die zahlreichen Erfolge aufgezählt. So wurden laut eigenen Angaben viele Forderungen und Aktionen unter maßgeblicher Beteiligung des Klimacamps erfolgreich auf den Weg gebracht, etwa der Augsburger Radentscheid, die Rettung des Forst Kasten und der Beschluss eines CO₂-Restbudgets für Augsburg. Auch konkrete Errungenschaften wie die Rettung der Bäume beim Bahnhofsvorplatz (gemeinsam mit der Baumallianz) oder die Einberufung eines städtischen Bürger:innenrats in Klimafragen, der auf die Bleibeverhandlungen zwischen Oberbürgermeisterin und Klimacamp zurückgeht, schreiben sich die Aktivist:innen auf die Fahnen.
Klimacamp als Grundlage für neue Bewegungen
Das Klimacamp Augsburg versteht sich außerdem als ein Vorbild für über 50 weitere in Deutschland errichtete Camps und mehr noch: Durch das Zusammenkommen in dem Lager in Augsburg hätten sich weitere Gruppen zu spezifischen Themen geformt, darunter eine Verkehrswende-Initiative, das neue Radlnacht-Bündnis, das Quartier für Alle, das mittlerweile in ganz Europa tätige Kochkollektiv Knoblauchfahne, das antikapitalistische Klimatreffen sowie das Oben-ohne-Kollektiv. Weitere Ziele könnt ihr außerdem auf der Website des Klimacamp Augsburg nachlesen.