„NO FUTURE“: Der punkige Slogan des diesjährigen Brechtfestivals spiegelte viel Hoffnungslosigkeit aus unserer Realität wider. Denn zwischen anhaltenden Kriegen, der Klimakrise und anderen Katastrophen fühlt man sich manchmal ganz so, als gäbe es wirklich keine Zukunft. Somit inszenierten Künstler:innen aller Art, zehn Tage lang reelle Welten auf Augsburgs Bühnen und fanden dabei Gemeinschaft aber auch Hoffnung. Das Brechtfestival erschuf im Februar und März einen Begegnungsraum im Theater, im Moshpit, im Sporttraining oder beim Turnfest. Aber nochmal von Anfang...
Das waren die Highlights auf den Brechtbühnen
Brecht-Klassiker neu inszeniert
Eröffnet wurde das Brechtfestival am 23. Februar mit David Ortmanns Inszenierung und Adaption des Brecht-Klassikers „Mutter Courage und ihre Kinder“ am Staatstheater Augsburg. Brecht sollte das Kunstfestival eröffnen und auch wieder beenden, und so war die inklusive Adaption des „Kaukasischen Kreidekreises“ durch Theater Hora und Helgard Haug zusammen mit dem Kollektiv “Rimini Protokoll” im Justizpalast zu sehen. Hier konnte das Festivalpublikum auf der ausverkauften Brechtbühne erleben, was es heißt, wenn Mitbestimmung auch die Bedürfnisse nicht-menschlicher Lebewesen miteinbezieht.
Zwischen Stalinismus und Augsburgs Gegenwart
Außerdem stellte die die Premiere des Stückes „Memoria“ eine wahres Attraktion dar. Die Inszenierung der russischen Theatermacherin Anastasia Patlay behandelte die Geschichte der Moskauer Menschenrechtsorganisation „Memorial International“, die 2022 den Friedensnobelpreis erhielt und per Gerichtsbeschluss in Russland aufgelöst wurde. Das Stück vereint die verwobenen Geschichten von Brechts Biografie, den Gräueltaten des Stalinismus und der lokalen Augsburger Geschichte mit der Gegenwart eines russischen Faschismus. In Russland wurde die Inszenierung verboten, aber in Augsburg freute man sich auf die Neuproduktion.
Musikalisch bis in die Nacht: Clubnacht und Post-Punk Musik
Ein weiterer Höhepunkt des Festivals war zum einen die Clubnacht in Brechts Kraftklub. Der „Touchdown to Paradise“, zu welchem der City Club die Menschen zum ausgelassenen Feiern einlud, tanzte mit den Besucher:innen bis in die Nacht. Außerdem ging es auf dem Konzert „Brecht Breaks!“ im Martini Park musikalisch zu. Hier schmiedeten Jugendliche aus Brechts Gedichten ihre eigenen Reime und performten sie live, gemeinsam mit erfahrenen Musikern wie Tilmann Herpichböhm und Jan Kiesewetter. Und last but not least trat der Augsburger Post-Punk unter das Scheinwerferlicht in Brechts Kraftklub. Diese Brechtnacht überzeugte Musikliebhaber:innen mit Bands der unterschiedlichsten Genres.
Brechts Kraftklub macht „Fit for No Future“
Jenseits von Brechtbühne und Martini-Park, in einer ehemaligen Textilfabrik gegenüber dem Plärrer, entstand „Brechts-Kraftklub". Hier sollte sich dieses Jahr unter Musik, Kunst und Schauspiel auch der Sport in den bunten Programm-Cocktail mischen. Inspiriert von Brechts eigener Faszination für Sport, begegneten sich beim diesjährigen Brechtfestival die Besucher:innen um sich „Fit for No Future“ zu trainieren. Mit Brechts Kraftklub konnte ein Ort für Alle geschaffen werden, an dem Unterschiede gleichzeitig existieren konnte. Auf mehreren Bühnen, einem Kino, einer Bar und im Gym wurde so ein Raum für politische Analyse, Poesie und Begegnung geöffnet.
Theater für mehr Hoffnung: Das bedeutet „ No Future”
Elena Kovalskaya, die zurückgetretene Leiterin des Meyerhold Kulturzentrums, beschreibt in einem Festival-Gespräch, was Theater trotz hoffnungsloser Voraussetzungen für sie bedeutet: „Das Wichtigste, was Theater heute erreichen könne, ist an den Wert des Menschenlebens, an die Bedeutsamkeit eines jeden einzelnen zu erinnern”.
„Wir haben den Raum aufgestellt und ein großes Geschenk von der Augsburger Stadtgesellschaft bekommen, die von jung bis alt am Festival teilhatte. Die Augsburgerinnen und Augsburger wurden zu den Stars des Brechtfestivals 2024.“, so Warner weiter. Dieses Gefühl von Gemeinschaft stand als Keyword hinter den inklusiven Auftritten des vergangenen Monats. Das Brechtfestival-Programm wurde von der Augsburger Stadtgesellschaft bei den Ausstellungen, Performances und internationalen Gastspielen unterstützt und brachte somit Lesungen, Konzert- und Clubnächte mit in das Programm.
Ganz so hoffnungslos wie “NO FUTURE” vermuten lässt, fühlen wir uns nach dem Schauspiel und Spektakel des Brechtfestivals nun doch nicht. Durch sportliche Begegnung, Konfrontationen und neu inszenierten Perspektiven, aber vor Allem durch das Zusammenkommen im Publikum, hat uns Festival-Leiter Julian Warner etwas gegeben, was uns nach vorne sehen lässt. „Trotz der vielbeschworenen Spaltung der Gesellschaft kann Theater ein Raum sein, wo die Stadtgesellschaft in ihrer Verschiedenheit zusammenkommen kann“, sagt der Festivalleiter Julian Warner, selbst.
Wer jetzt schon voller Melancholie auf die vergangenen Wochen voller Brecht-Punk, Sporttraining, Gemeinschaftsgefühl ist, für die Person haben wir eine gute Nachricht: Die Pläne für 2025 werden schon fleißig geschmiedet. Also haltet euch den 21. Februar bis zum 3. März in eurem Kalender frei.