Imposant ragt der weiße Altbau in der Fuggerstraße 11 gen Himmel. Die Augsburger Geschäftsstelle des ADAC ist hier beheimatet, genauso wie diverse Rechtsanwälte und eine Werbeagentur. Auf dem Klingelschild versteckt sich ein Name, der in Zukunft sehr wahrscheinlich vielen Leuten bekannt sein wird: Xentral.
In den hellen Büros mit den hohen Decken wird eifrig auf die Tastaturen getippt, geplant und programmiert. Es herrscht Startup Atmosphäre: Zwar ohne Kickertisch und Smoothiebar, aber mit viel Elan, Herzlichkeit und Teamwork. Wer hier den Kopf der jungen Crew sucht, steht vor dem gleichen Problem wie beim Klingelschild. Benedikt Sauter, Gründungsmitglied und Geschäftsführer der Xentral ERP Software GmbH, ist ein Musterbeispiel für flache Hierarchie und verschmilzt geradezu mit seinem Team, wenn er mit seinem einfachen T-Shirt und der Jeanshose seinen Platz im Großraumbüro einnimmt. Seine Position wird erst im Gespräch wirklich klar, wenn die Passion für die Sache in seinen Augen leuchtet.
Von der Hardware zur Software
Dabei hat die Firma – wie viele andere Startups – ganz anders angefangen. Den leidenschaftlichen Informatiker zieht es 2003 fürs Studium von München nach Augsburg. An der Fachhochschule sitzt er in dem schicksalshaften Kurs, der ihm die spannende Welt der Hardware näherbringt. Aus der Faszination heraus entsteht bald ein Programmieradapter, den Benedikt eigenhändig entwickelt. Das Feedback darauf ist so gut, dass nach kurzer Zeit ein Onlineshop folgt, um den Adapter überall anbieten zu können. Dieser Schritt ist für den 36-Jährigen kein unbekannter: Fast sein ganzes Leben lang ist er schon selbstständig, nur einmal schnuppert er kurz für zwei Wochen Angestelltenluft.
Seine Berufserfahrung hilft dabei, die Schwachstellen seines Shops zu erkennen. Der Optimierungsbedarf ist hoch. Doch die Suche nach bezahlbarer Software bleibt erfolglos. Was Benedikt und sein Team finden, ist meist unflexibel und verursacht mehr Arbeit, als sie erleichtern sollte. Sie beschließen kurzerhand, eine eigene Lösung nach ihren eigenen Ansprüchen zu bauen – die Geburtsstunde von Xentral.
Xentral ist die zentrale Quelle für Buchhaltung, Steuern, Zeitmanagement und erleichtert mit vielen weiteren Modulen die Organisation hinter den Kulissen eines Betriebs. ERP steht für Enterprise-Ressource-Planning, also die rechtzeitige und bedarfsgerechte Planung von Ressourcen wie Kapital, Personal, Betriebsmittel, Material und Informations- und Kommunikationstechnik im Sinne des Unternehmens.
Gerade im Handel kommen während des Tagesgeschäfts viele Daten hinzu, die gepflegt werden müssen. Um Personal zu sparen, die diese Daten mühselig abtippen, kopieren und weiterleiten gibt es mit Xentral eine Software, die alles, was sie schon weiß, selbst verarbeiten kann, so der Gründer. So können beispielsweise Kontoauszüge abgespeichert werden, die automatisiert für Vorkasserechnungen, Mahnwesen, Buchhaltungsvorbereitung etc. verwendet werden können. Bei jedem Handgriff, den das Team macht, stellen sie sich die Frage: „Muss ICH den machen oder kann das auch von einem Algorithmus übernommen werden?“
„Die Software ist mit der Firma gewachsen und am Wochenende, in der Früh und nach Feierabend entstanden. Tagsüber mussten wir die eigentliche Hardware machen“, erklärt der junge Geschäftsführer die Entstehungsgeschichte. In dieser Zeit ist das Team um Benedikt Sauter zugleich der eigene Kunde. Sie probieren alle neuen Funktionen zuerst selbst aus.
Als sich die Software durch die zufriedenen Kunden herumspricht steht das Unternehmen im Jahr 2015 vor der endgültigen Entscheidung: Hardware oder Software? Die Wahl fällt auf die mit viel Hingabe herangezogene und erfolgsversprechende ERP Software und startet mit einer Teamgröße von drei hoffnungsvollen und ehrgeizigen Mitarbeitern.
Dass es sich lohnt, mit Xentral zusammenzuarbeiten, hat auch schon Startup Experte Frank Thelen erkannt. Er investiert seit vergangenem Jahr direkt in die GmbH von Benedikt Sauter und nutzt die Software für seine Startups.
New Company, New Work
Heute sind es 32 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei Xentral. Dieses Wachstum bedeutet auch Veränderungen in der Unternehmensstruktur und ein neues Arbeitssystem. Mit dem neuen Ticketsystem können die Kunden schicken ein Ticket im System verfassen, dass dann von den Xentral-Mitarbeitern abgearbeitet und auch im Team weiter gereicht werden kann. Der komplette Kommunikationsverlauf bleibt erhalten und die Mitarbeiter müssen sich nicht zeitintensiv mit den Kunden abstimmen.
Trotzdem müssen sie für den Kunden während einer bestimmten Präsenzzeit erreichbar sein. Homeoffice sei derzeit noch nicht realisierbar. Dennoch erzählt Benedikt von einer „Dienstwohnung“, die das Unternehmen Mitarbeitern zur Verfügung stellt, die einen weiten Arbeitsweg antreten, um mehr Zeit zum Erholen zu gewinnen und lange Fahrtwege zu vermeiden. „Es ist sehr wichtig, dass jeder Energie tanken kann. Wir haben ein sehr hohes Tempo in der Firma und ERP ist ein komplexes Thema“, sagt der Augsburger Gründer.
Darum solle auch niemand noch nebenbei arbeiten oder andere Projekte verfolgen. Das heißt aber auch, dass Nebentätigkeiten bei der Bewerbung ein Grund für eine Absage sind. Zur Begründung sagt Benedikt: „Wir wollen einfach, dass hier jeder Zeit hat, Geist reinstecken und 100% geben kann“.
Und das merkt man auch nach bester New Work Manier: Arbeit ist nicht mehr nur Mittel zum Zweck; eine Art sein Geld zu verdienen, sondern die Mitarbeiter identifizieren sich mit der Firma und dem Produkt. Sie sind mit vollem Engagement dabei. „Wir fragen auch immer, worauf der Einzelne am meisten Lust hat. Dann fördern wir das und bemühen uns, das Team umzustrukturieren, damit du dann genau das machen kannst, was dir am meisten liegt“, so Benedikt.
Xentral bleibt Augsburg treu
Obwohl der junge Gründer ein „Zugereister“ ist, hängt er mittlerweile sehr an seiner Wahlheimat Augsburg. „Ich mag die Stadt total gern. Ich habe einen sehr kurzen Arbeitsweg und kann durch die Innenstadt laufen“, schwärmt er. Natürlich hat die Fuggerstadt auch Vorteile für seinen Betrieb. „Wir brauchen viele Leute mit Wirtschaftsbackground und mit der Uni und der FH haben wir zwei sehr gute Quellen für kompetente Bewerber.“
In der Augsburger Gründerszene ist Xentral sehr gut vernetzt. Das Startup trifft sich regelmäßig mit anderen Gründern, um neue Ideen zu entwickeln. Noch sähe es nicht danach aus, dass Xentral seinen Standort verlagern würde. Der Geschäftsführer erklärt: „Ich hoffe, dass es noch länger hier geht. Das kommt natürlich auch darauf an, wie kräftig wir die Werbetrommel rühren – nicht nur für das, was wir machen, sondern auch für Augsburg und was hier alles entstehen kann. Darum pushen wir die Augsburger Netzwerke“.