Oftmals fällt die Verantwortung für die Schwangerschaftsverhütung auf die Frau zurück. Besonders die Antibabypille erfreut sich wegen ihrer hohen Sicherheit großer Beliebtheit. Aufgrund ihrer zahlreichen möglichen Nebenwirkungen gerät aber auch sie immer mehr in die Kritik. In Zukunft könnte sich das aber ändern. 2022 wurde bei einem Event der American Chemical Society – die größte wissenschaftliche Fachgesellschaft der Welt – in den USA ein Wirkstoff zur oralen Verhütung für Männer vorgestellt. Damit könnte die Pille für den Mann bald Realität werden, oder?
Möglichst risikofreie Pille für den Mann
Der Wirkstoff wird von den Forschenden der University of Minnesota als „YCT529” bezeichnet und ist ein nicht-hormonelles empfängnisverhütendes Mittel. Dass das ganze ohne Hormone auskommt, ist entscheidend, denn sonst treten – ähnlich wie bei der Antibabypille für die Frau – starke Nebenwirkungen wie beispielsweise Depressionen auf. Gerade heute sind die Zulassungsrichtlinien für Medikamente strenger als noch in den 60er Jahren, als die Antibabypille erstmals auf den US-amerikanischen Markt kam. Gerade deshalb zögert sich die Entwicklung der Pille für den Mann so lange hinaus. Um den Anreiz für eine Einnahme möglichst hochzuhalten, werden zudem geringe bis keine Nebenwirkungen angestrebt. Schließlich liegt das medizinische Risiko im Falle einer Schwangerschaft und Geburt vollständig bei der Frau.
Auch Forscher scheitern einmal…
Bei Frauen muss nur einmal im Monat der Eisprung unterdrückt werden, um eine Schwangerschaft zu vermeiden. Beim männlichen Geschlecht ist die Biologie eine andere, sodass die Pille für den Mann immer wieder für Schlagzeilen in den Medien sorgte. Seit Jahrzehnten wird nach einer passenden Verhütungsmethode gesucht, jedoch ohne durchschlagenden Erfolg. Im Zeitraum von 2008 bis 2011 wurde eine internationale Studie der Weltgesundheitsorganisation (WHO) durchgeführt. Schon hier war die Hoffnung auf einen Durchbruch groß. Beteiligt waren 320 Paare in acht Ländern. Das Forschungsteam hat den männlichen Probanden zwar kein orales Mittel verabreicht, ihnen dafür aber einmal im Monat ein Hormonpräparat injiziert, das ähnlich wie die Antibabypille wirkt. Dadurch sank die Spermienzahl bei allen Teilnehmern. Zehn Prozent davon hatten mit massiven Nebenwirkungen wie Libido-Verlust oder Stimmungsschwankungen zu kämpfen. Das war auch der ausschlaggebende Grund, dass die Studie abgebrochen wurde.
Vier Wochen bis zum Sex warten?!?
Die Forschenden der University of Minnesota haben eine Möglichkeit gefunden, um die Spermienbildung kontinuierlich zu unterdrücken. Dabei wird das spezielle Protein namens Retinsäurerezeptor Alpha, das bei der Spermienproduktion eine entscheidende Rolle spielt, blockiert und eine Sterilität erreicht. Dieser Prozess dauert bis zu vier Wochen – somit eine eher langsame Verhütungsmethode mit notwendigem Vorlauf vor dem Sex. Die Wisenschaftler:innen haben bereits klinische Versuche mit männlichen Mäusen durchgeführt. In 99 Prozent der Fälle konnte eine Schwangerschaft verhindert werden. Vier bis sechs Wochen nach Absetzen der Pille waren die Mäuse wieder zeugungsfähig. Und das Beste daran: Es gab keine signifikanten Nebenwirkungen zu beobachten. 2023 erfolgen die Testungen an menschlichen Versuchspersonen.
Runterschlucken und los geht’s
Wissenschaftler des Weill Cornell Medical College in New York haben sich diesem Thema ebenso angenommen. Sie haben sich auf eine Verbesserung des zeitlichen Aspekts fokussiert. 30 Minuten bis eine Stunde vor dem Sex wird die Pille für den Mann eingenommen. Sie verhindert die Fortpflanzungsfähigkeit der Spermien in einem Zeitraum von mehreren Stunden. Der Wirkstoff „TDI-11861“ macht Spermien unbeweglich und beugt deren Reifung vor. Dadurch können sie erst gar nicht zur Eizelle gelangen. Auch hier sind schon Tests an Mäusen vollzogen worden. Nach 24 Stunden war die Fruchtbarkeit der kleinen Nager wiederhergestellt und es sind keine Nebenwirkungen beobachtet worden. Testungen an Menschen stehen noch aus.
Klingt doch schon einmal so, als wäre die Forschung auf einem guten Weg, oder? Es besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass die Medikamente auch von menschlichen Probanden vertragen werden. Längerfristige und indirekte Nebenwirkungen müssen die Forscher:innen aber erst noch untersuchen. Nur dadurch zeigt sich, ob das Produkt marktreif ist und Verhütung vielleicht bald zur Männersache wird. Fair wäre es allemal, denn zum Sex gehören immer zwei Personen.