Mit langsam fließendem Wasser schlängelt sich der Lech durch den Siebentischwald. Nahezu unberührt wirkt der Fluss inmitten der hohen Bäume. Doch der Schein trügt, denn auch hier hat die menschliche Hand in die Natur eingegriffen. Und, wie so oft, brachte das gravierende Folgen mit sich. Nun soll der Lech an einigen Abschnitten wieder renaturiert werden. Ein Projekt, das großen Aufwand erfordert.
Meilenstein des Projektes „Licca liber“
Es sind bereits zehn Jahre vergangen, seitdem das Projekt „Licca liber“ ins Leben gerufen wurde. Ende Februar 2024 wurde ein wichtiger Meilenstein erreicht: Das Wasserwirtschaftsamt Donauwörth (WWA Donauwörth) hat die Pläne für die Renaturierung der Stadt übergeben. Nun liegt die weitere Fortführung in Händen des Umweltreferats Augsburg, das die Umsetzbarkeit prüfen muss. Dieser Prozess kann allerdings durch mögliche Einwände auf unbestimmte Zeit verzögert werden.
Gründe für Änderungen des natürlichen Flusslaufs
Der Name „Licca liber“ verrät bereits die Intention des Projektes. „Freier Lech“ heißen die Worte übersetzt, womit eine Rückführung des Flusses zu seinem ursprünglichen Charakter gemeint ist. Einst ein voralpiner Wildfluss mit breitem Flussbett und auslandenden Kiesbänken, ist das Erscheinungsbild heute geprägt von Kanalisierungen, Staustufen sowie Begradigungen. Dabei gilt der Lech als meist verbauter Fluss in ganz Bayern – doch hat das künstliche Eingreifen weitreichenden Folgen. Auf der Website der Stadt wird zusammengefasst: Der Lech gräbt sich immer tiefer in sein Bett, Uferböschungen, Brücken und Staustufen werden instabil, viele Tier- und Pflanzenarten verschwinden. Warum wurden solche Korrektionen des Lechs dennoch ausgeführt? Ein kurzer Überblick:
Die Flusslandschaft des Lechs war früher geprägt von regelmäßigem Hochwasser, das die Auen überflutete und Gesteinsmaterialien mit sich brachte. Dadurch änderte sich der Flusslauf sowie die angrenzenden verzweigten Rinnen ständig. Das stellte für die Bewohner naher Siedlungen sowie regionale Landwirte allerdings eine große Herausforderung dar. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts begradigte man deshalb den Lech und befestigte die Ufer. Diese Maßnahmen führten zu einer erhöhten Fließgeschwindigkeit, sodass es zur gewünschten Eintiefung des Flussbettes kam. Eine weitere Rolle spielte der Ausbau der Wasserkraftnutzung. Auch am Lech wurden massive Kraftwerke sowie Wehre eingerichtet. Diese beeinflussen nicht nur das Erscheinungsbild des Lechs, sondern ebenso die Transportfähigkeit für den Kies.
Folgen des menschlichen Eingreifens
Die Auswirkungen dieser Eingriffe sind mittlerweile zu echten Problemen herangewachsen: Anfangs erfolgte durch die Begradigung des Lechs eine gewünschte und kontrollierte Sohlerosion. Schnell trat diese allerdings über das beabsichtigte Maß hinaus, sodass der Lech sich nun immer tiefer in den Boden gräbt. Dadurch entsteht die Gefahr eines Sohldurchschlags. Konkret bedeutet das: Die Erosion erfolgt so stark, dass der Kies vollständig abgetragen und das darunter liegende Material noch leichter abgeschwemmt wird. Eine ganze Reihe unerfreulicher Konsequenzen sind damit verbunden. Durch die beschleunigte Eintiefung kann es zu einem lokal sinkenden Grundwasserspiegel kommen. Infolgedessen entstehe laut WWA Donauwörth zum einen eine Stabilitätsgefahr für Ufersicherungen, Deiche, Brücken- und Stützbauwerke. Zum anderen komme es zu starken Einschränkungen der ökologischen Vielfalt, indem beispielsweise Auenwälder austrocknen, Kiesbänke fehlen und die Vernetzung von Lebensräumen für viele Tierarten und Organismen unmöglich wird. Der Bau der Kraftwerke verstärke die erhöhte Sohlerosion, da diese zugleich Barrieren für das Gesteinsmaterial abbilden. Dadurch bleibe unterhalb der Wehre das Geschiebe aus, das allerdings für eine stabile Flusssohle nötig wäre. Trotz künstlicher Kiesaufschüttungen habe sich der Lech in den vergangenen Jahren weiter in den Boden eingegraben.
Maßnahmen zur Renaturierung des Lechs
Als konkrete Maßnahmen hat das WWA Donauwörth für den Abschnitt der Staustufe 23 bis zum Hochablass folgende Punkte vorgestellt:
Rückbau der Uferbebauung: Durch diese Maßnahme soll der Lech seine Ufer eigendynamisch abtragen und sich ein neues Flussbett gestalten. Geplant ist dies für einen Abschnitt von vier Kilometern.
Regelmäßige Kieszugaben: Unterhalb der Staustufe soll regelmäßig Kies zugeführt werden. Dies könne dem natürlichen Ablauf wieder Dynamik zurückgeben, sodass wandernde Kiesbänke entstehen.
Umbau und Rückbau von Absturzbauwerken: Dies soll für eine Durchgängigkeit des Lechs sorgen, sodass Fische wieder frei wandern können.
Rückverlegung der Hochwasserschutzanlagen und Herstellung von Nebenarmen: Durch diesen Punkt sollen wieder Flussauen entstehen, die für ein gesundes Ökosystem eine große Rolle spielen. Außerdem wird dadurch die Anlage weiterer Nebengewässer ermöglicht.
Herstellung von Flussauen: Aufgrund ihrer enormen Bedeutung soll auch auf einem weiteren Gelände von 95 Hektar eine Aue entstehen.
Sohlstabilisierung: Durch die verschiedenen Maßnahmen soll insgesamt die Sohle des Lechs und damit auch der Grundwasserstand stabilisiert werden. Dies wirkt sich auch auf die Trinkwasserversorgung der Stadt Augsburg positiv aus.
Weiteres Vorgehen in vier Phasen
Insgesamt umfasst das Project „Licca liber“ vier Planungsabschnitte. Mit Abschnitt I, von der Staustufe 23 bis zum Hochablass, haben wir uns schon genauer befasst. Abschnitt II ist die folgende Strecke bis zum Gersthofer Wehr, Abschnitt III folgt bis zur Staustufe Ellgau und Abschnitt IV endet an der Mündung des Lechs in die Donau. Auch an diesen Stellen sind bereits Planungen in vollem Gang.