Vereinzelt sind sie noch zu sehen, die auffallend grün-rosanen Plakate mit Sprüchen wie „Autofreie Innenstadt, wenn ich Boss wäre“. Ein parteilicher Bezug lässt sich nicht herstellen – und das ist gewollt. Wer dahinter steckt, lässt sich erst herausfinden, wenn der abgebildete QR-Code gescannt wird. Der Stadtjugendring hatte die rund 150 Doppelplakate im Format Din A1 in der Innenstadt aufgehängt, auf denen Jugendliche mit höchst ungewöhnlichen Forderungen abgebildet sind. Dabei ist das Ziel des SJRs, möglichst viele junge Menschen zur Kommunalwahl zu motivieren und gleichzeitig die politischen Parteien dazu zu bringen, Antworten auf die Anliegen der jungen Leute in Augsburg zu geben.
Gegenwind und rechtliche Probleme
Die Aktion kam nicht bei allen gut an. Die AfD Augsburg reagierte jüngst heftig auf die Plakatkampagne zur Kommunalwahl 2020 und fordert beim Ordnungsamt die Abhängung der Plakate. „Ich finde es schade für die Jugend, deren Bedürfnisse zu wenig Beachtung in der Politik finden“, so SJR Geschäftsführer Helmut Jesske zu der Forderung. Denn bei den Sprüchen auf den Plakaten handelt es sich um echte Wünsche der Jugendlichen, die der SJR direkt in Jugendhäusern, Verbänden und Schulen bei ihnen gesammelt hatte.
Fakt ist: Der SJR hat letztendlich gegen die Plakatierverordnung verstoßen. Offenbar gab es bei der Vergabe des Sondernutzungsrechts ein Missverständnis, bereits im September wurde dazu mündlich verhandelt. Dabei verstand der SJR es so, dass er als parteineutrale Einrichtung das Sondernutzungsrecht erhalten würde, das ihm erlaubt, Plakate im öffentlichen Raum im Sinne von Wahlwerbung zu platzieren. Dieses Recht ist jedoch ausschließlich Parteien vorbehalten. So muss der SJR nun seine Plakate in der Innenstadt wieder abnehmen. „Wir werden jedoch Wege finden, um der Stimme der Jugend Gehör zu verschaffen“ kündigt SJR-Chef Jonas Riegel an.
Generation Aux bietet Hilfe an
Support erhält die Plakatkampagne von dem neuen Player „Generation AUX“. „Die Intention der Kampagne „Rathausboss“ des SJR, junge Menschen zur Teilnahme an demokratischen Prozessen zu motivieren ist eines der wichtigsten gesellschaftspolitischen Anliegen überhaupt, es wäre schade, wenn eine solch wichtige Zielsetzung an einem Formfehler scheitert“, erklärt Raphael Brandmiller, der Vorsitzende des Vereins. „Deshalb haben wir dem SJR spontan unsere Unterstützung für die Umsetzung der Kampagne angeboten und fordern alle demokratischen und toleranten Parteien dazu auf, dies ebenfalls zu tun“.
Die Idee von Generation AUX ist, dass alle Parteien offiziell als „Verantwortliche im Sinne des Presserechts“ quasi „Pate“ für die Plakate der Aktion „Rathausboss“ des SJR werden, ohne dort jedoch eigene Botschaften oder Labels zu senden. „Es sollte klar sein, dass wir als zur Wahl antretende Parteien und Gruppierungen natürlich die Überparteilichkeit des SJR respektieren und uns keinesfalls in die inhaltliche Ausgestaltung der Kampagne einmischen werden. Allerdings haben wir wohl mit allen angesprochenen Parteien und Gruppierungen Konsens, dass es mehr als bedauerlich wäre, wenn eine Kampagne mit der wichtigen Zielsetzung der gesellschaftlichen Beteiligung junger Menschen nicht umgesetzt werden könnte, zumal diese die Werte aller demokratisch und toleranten Parteien wohl zu 100% widerspiegeln wird“, so Brandmiller weiter.
„Hier handelt es sich genau um einen solchen Fall, in dem Politik zeigen kann, dass man nicht lange reden muss, sondern durch einfaches und schnelles Handeln einer guten und wichtigen Idee zur Umsetzung verhelfen kann.“
Dass ein solches Vorgehen im politischen Alltag vielleicht ungewöhnlich ist, bestreitet er nicht. „Wir sehen es aber als gesellschaftliche Pflicht hier tätig zu werden. Gerade das entspricht unserer Philosophie nicht hauptsächlich als Partei zu agieren, sondern als Verein, der Menschen vernetzen und Dinge für die Stadt umsetzen möchte. Hier handelt es sich genau um einen solchen Fall, in dem Politik zeigen kann, dass man nicht lange reden muss, sondern durch einfaches und schnelles Handeln einer guten und wichtigen Idee zur Umsetzung verhelfen kann.“ Gerade vor dem Hintergrund, dass die Wahlbeteiligung bei der letzten Kommunalwahl 2014 mit gerade mal knapp über 40% einen historischen Tiefpunkt erlebt hat, appelliert Generation AUX an alle demokratischen und toleranten Parteien und Gruppierungen.