„Willst du mit mir gehen?“ – Warum nichts den Liebesbrief ersetzen kann

Erinnerst Du Dich noch an das Gefühl, als du Deinen ersten Liebesbrief bekommen hast? Von Liebe in Zeiten der Digitalisierung

„Willst du mit mir gehen?“ – Warum nichts den Liebesbrief ersetzen kann

Unsere Welt wird immer schneller, immer flüchtiger. Wir leben in Zeiten der Digitalisierung, in der Kommunikation über Whatsapp, Likes auf Facebook und Retweets verläuft. In der 120 Zeichen alles sind, was man zu sagen hat, in der man jedoch permanent erreichbar und online ist. Doch was bleibt davon? Werden in 100 Jahren die spannendsten Tweets von großen Persönlichkeiten in einem Sammelband vereint, wie es heute Briefe sind, die uns von unseren Vorbildern erhalten blieben? Alles scheint heute vergänglich. 24 Stunden für alle sichtbar, danach gelöscht. Spuren hinterlassen wir höchstens digital. Kein Wunder also, dass sich viele wieder nach der analogen Welt sehnen, nach Dingen, die man anfassen, riechen, schmecken kann.

Was bedeutet Liebe in Zeiten von WhatsApp und Instagram?

Doch verändert das auch unsere Art zu lieben? Ich weiß nicht, wie’s dir geht, doch in meiner Kindheit wurden alle Gefühle gnadenlos ausgesprochen und aufgeschrieben. Auch wenn ich alles andere als geschickt mit Worten war, waren Liebesbriefe sehr präsent in meinem Leben. Heute hingegen scheint mir alles viel reduzierter. Natürlich schreibt man auch heute noch unzählige Herz-Smileys, hab dich lieb‘s und du fehlst mir‘s. Doch was bedeutet ein Liebesgeständnis, das in dem Bewusstsein gemacht wurde, die Nachricht im Notfall schnell wieder löschen zu können? Was bedeutet es, wenn wir gleichzeitig noch vier andere Konversationen führen und Insta checken?

„Jeder wünscht sich insgeheim, den Mut zu haben, seine Gefühle aufzuschreiben.“

„Meine Freundin und ich schreiben uns regelmäßig Briefe“, erzählt mir Robert, als ich ihn neulich beim Feiern getroffen habe. Seit einigen Monaten führt er schon eine Fernbeziehung und das Schreiben von Briefen ist bereits zu einer Selbstverständlichkeit geworden. „Besonders meine männlichen Freunde machten anfangs ihre Scherze darüber und lachten“, erzählt er weiter, „doch ich weiß, dass sich insgeheim jeder von ihnen selbst wünschen würde, den Mut zu haben, seine Gefühle aufzuschreiben.“

Mut zur Unveränderbarkeit

Auch mein Kumpel Markus reagiert überraschend positiv, als ich ihn zu seiner Meinung über Liebesbriefe befrage. „Wenn sich heutzutage jemand die Zeit nimmt, sich hinzusetzen und dir etwas per Hand zu schreiben, sagt das viel über die Gefühle aus, die er oder sie dir gegenüber hat“, verrät er mir. Und schließlich ist es genau das, was die Romantik eines analogen Liebesgeständnisses ausmacht: Das bewusste Investieren von Zeit, um etwas niederzuschreiben, das unveränderbar ist, nicht mehr revidierbar. Denn wer schonmal wirklich auf die Schnauze gefallen ist, weiß, wie viel Mut dazu gehört, seine Gefühle auszusprechen – geschweige denn aufzuschreiben.

„Sich die Zeit zu nehmen, etwas per Hand zu schreiben, sagt viel über die Gefühle zu dir aus“

Briefe haben eine besondere Wirkung, die einfach bleibt. Auch Johannes erinnert sich an Kindheitstage, in denen er sich den Himbeer-Lipgloss-Abdruck seines Schwarms immer und immer wieder unter die Nase gehalten hat. Und welches Gefühl ist wohl schöner, als einen Liebesbrief in der Hand zu halten, ihn immer wieder zu lesen, an ihm zu riechen und ihn unters Kopfkissen zu legen?

Logo