Kaserne, Kulturzentrum, Abriss – Der Abschied vom Kulturpark West

Vergangenes Jahr haben wir nicht nur von der Kantine, sondern vom gesamten Kulturpark West, wie wir ihn kennen, Abschied genommen. Zeit für ein Resümee und einen Ausblick.

Kaserne, Kulturzentrum, Abriss – Der Abschied vom Kulturpark West

Noch ist es ruhig, doch bereits in wenigen Wochen rücken die Bagger an.

Das Gelände liegt verlassen da. Es ist ein kalter Morgen im Januar als wir das Terrain zwischen Exerzierplatz und Sommestraße im Licht der aufgehenden winterlichen Sonne betreten. Der Wind weht über den Kiesplatz und um die Häuserecke des mit Graffiti besprayten, grau-weißen Gebäudes. Es ist ruhig auf dem zurückgelassenen Gelände. Noch. Denn bereits in wenigen Wochen sollen die Bagger anrücken.

Ein Kulturzentrum fragmentiert.

Hartmut Basan und Peter Bommas von der Gemeinnützige Kulturpark West GmbH führen uns über das Gelände. „Die meisten KünstlerInnen und MusikerInnen haben bereits das Feld geräumt“, erzählen sie. Im vergangenen Jahr gingen die meisten Umzüge über die Bühne, nur wenige halten sich noch in den Räumlichkeiten des Kulturpark West auf. Viele von ihnen zogen auf das neue Gaswerk-Areal in Oberhausen, einige in Quartiere in der Derchinger Straße oder in Königsbrunn. Obwohl die meisten KünstlerInnen mit der neuen Heimat am Gaskessel glücklich sind, trauern einige der alten Location am Kulturpark West nach. Denn das Areal hatte sein ganz eigenes Flair, die Vernetzung zwischen den unterschiedlichsten Kunstschaffenden war perfekt.

Das wohl größte Manko ist, dass nicht alle in den alternativen Räumlichkeiten unterkommen. Im Moment werden rund 30-40 Räume auf dem neuen Gelände vermietet. Mehr ist aufgrund der Zwischennutzung durch das Staatstheater nicht möglich. „Ohne diese Zwischenlösung für das Theater hätte der Platz für fast alle Kunstschaffenden gereicht“, erzählt ein Mitarbeiter der Stadtwerke. Doch der Engpass scheint absehbar. Schon im Sommer 2021 sollen neue Räume am Gaswerk für KünstlerInnen und Bands hinzukommen. Bei deren Bereitstellung kommt jedoch seit dem Umzug eine weitere Hürde hinzu: lediglich KünstlerInnen und MusikerInnen, die Bürger der Stadt Augsburg sind, ist es aufgrund einer neuen Auflage gestattet, einen Raum auf dem neuen Gelände zu mieten. Problematisch für all die Kunstschaffenden aus der Region.

Warum das „Aus“ für den Kulturpark West?

Die Zeit war von Anbeginn limitiert.

Auf den ersten Blick scheint der Umzug neben der Breitstellung neuer, renovierter und gleichbleibend günstiger Räume am Gaskessel also doch einige Nachteile mit sich zu bringen. Doch wieso dann der Auszug aus dem Kulturpark West? Die Erklärung ist simpel und ernüchternd: das Auszugsdatum stand schon mit dem Einzug fest, die Zeit war von Anbeginn limitiert.

2002 übernimmt die Stadt die Verwaltung des Geländes von der Bundesvermögensverwaltung. Bis zu diesem Zeitpunkt gab es auf dem alten Exerzierplatz bereits etliche zeitweise Nutzungen, darunter Diskotheken und ein Reifenhandel. Etwa zur gleichen Zeit ist man bereits auf der Suche nach einem Kreativviertel in Augsburg. Durch eine Postkarten-Aktion und kleine Demos wird immer wieder auf die Problematik mangelnder Räumlichkeiten für diesen Zweck aufmerksam gemacht. Das ehemalige Wehrmachtsgelände scheint perfekt dafür. 2007 willigt die Stadt schließlich ein und gibt das Gelände für zehn Jahre zur Nutzung frei.

„Aus Freude über die plötzliche Zustimmung haben wir einfach zu allem ja gesagt“, erzählt Peter Bommas. Doch mit dem Beginn der Sanierung wird das Ausmaß ersichtlich: etliche Altlasten müssen entfernt, das komplette Gebäude saniert und entkernt werden. Mithilfe von Bürgschaften, Darlehen und einigen Crowdfunding-Aktionen wird eine halbe Mio. mobilisiert. Und so finden 2008 schließlich über 200 Bands und rund 80 KünstlerInnen, und später auch die Kantine, eine Heimat im Kulturpark West. Die Wartelisten sind unaufhörlich gefüllt. Doch die zehn Jahre sind abgelaufen – der Umzug damit unausweichlich.

Was passiert nun mit dem Gelände?

Nun steht der Rückbau des Kulturpark West an. Das ehemalige Wehrmachtsgelände, das im zweiten Weltkrieg erst von den Nationalsozialisten genutzt und dann von den Amerikanern übernommen wurde, birgt etliche Altlasten. Rückstände von massiven Herbizidbekämpfungen auf dem ganzen Gelände sowie Asbest, Uran aus alten Leuchtmitteln und durch Vandalismus freigesetztes Quecksilber in Böden und Gebäuden müssen ausfindig gemacht, gesäubert, herausgetrennt und entsorgt oder verwertet werden. Das ehemalige Auengebiet der Wertach wird dafür in Einzelgrundstücke unterteilt durchkämmt. Ein aufwendiges Unterfangen.

Ein Zeugnis deutscher und Augsburger Geschichte geht verloren.

Auf dem Gelände entsteht neuer Wohnraum. Wohnungen, die in Augsburg dringend gebraucht werden. Doch auch hier werden kritische Stimmen laut. Denn mit dem Abriss und der Bebauung verschwindet das letzte Ensemble von Militärgebäuden in Augsburg. Und damit ein wichtiges Zeugnis deutscher und Augsburger Geschichte, lautet die Kritik. Ob es einen Kompromissplan geben wird, kommt vermutlich in den nächsten Wochen auf.

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