Männergruppen, die grölend durch die Straßen laufen und dabei Kastenweise Bier in sich schütten, während sie einen Bollerwagen hinter sich herziehen. So sieht der Vatertag in vielen Teilen Deutschlands aus. Ein Feiertag zu Ehren der Väter – theoretisch klingt das nachvollziehbar, besonders wenn bedacht wird, dass auch der Muttertag gefeiert wird – wobei auch an diesem Kritik zu üben ist, jedoch aus einem anderen Grund – praktisch sieht das anders aus. Was in Deutschland unter dem Namen Vatertag begangen wird, ist ein Höchstmaß an Peinlichkeit. Statt Fürsorge, Familie oder Verantwortung stehen Bierbänke, Bollerwagen und Saufen im Vordergrund.
Der „Feiertag“ als Sinnbild der Vaterschaft
Was ursprünglich als Tag zur Ehrung der Vaterrolle eingeführt wurde, wirkt heute wie eine Farce. Männer wollen Frau und Kind, aber nicht Partner und Papa sein. Nicht umsonst gibt es in den sozialen Medien den Trend, dass junge Frauen Videos posten, in denen sie schreiben, dass sie nicht Mutter aber Vater werden wollen. Während mit der Geburt des Kindes das Leben der Frau auf den Kopf gestellt und sie gesellschaftlich nahezu ausschließlich als nur noch ‚Mutter‘ gelesen wird, bleibt der Mann weiterhin Mann und nicht Vater. Nach dem Statistischen Bundesamt leisten Frauen 44,3 Prozent mehr Care Arbeit als Männer. Dabei handelt es sich um unbezahlte Sorgearbeit, die von der Haushaltsführung über Kinderbetreuung bis hin zur Pflege von Angehörigen und Ehrenämtern umfasst. Zusätzlich übernehmen Frauen in heterosexuellen Paarbeziehungen sowohl mit als auch ohne Kind den Hauptteil des Mental Loads – die unsichtbare und unbezahlte Denk- und Planungsarbeit, die notwendig ist, um den Alltag, das Familienleben oder den Beruf zu organisieren. Wenn sich also Männer weder an der Care Arbeit noch am Mental Load gerecht beteiligen, stellt sich die Frage, wofür genau diese „Väter“ denn eigentlich am Vatertag gefeiert werden wollen.
Von Vätern keine Spur – nur Männer mit Restalkohol
Man nennt es „Vatertag“, aber was da alljährlich durch Deutschlands Straßen rollt, erinnert eher an einen schlecht gealterten Männerfasching. In ihrer natürlichen Umgebung – Radwegen, Feldwegen, gelegentlich Vorgärten – ziehen Grüppchen von Männern, meist mit Sonnenbrille, peinlichen T-Shirts und misogynen Sprüchen, ihre Bollerwagen durch die Landschaft. An Bord: Bierkästen, Schnapsflaschen, Musikboxen, vielleicht noch ein Snack, den mit hoher Wahrscheinlichkeit die Partnerinnen eingepackt haben. Die Kinder? Zuhause. Die Partnerinnen? Zuhause, mit den Kindern.
Während am Muttertag Frauen von ihrem Partner auch noch „Zeit mit den Kindern“ geschenkt bekommen, ihr eigenes Muttertagsfrühstück vorbereiten und sich dafür auch noch dankbar zeigen sollen, zeigen Männer am Vatertag mit ihrer Tour vor allem eines: dass Verantwortung nach wie vor geschlechtlich verteilt ist – und zwar stark asymmetrisch. Der Vatertag wird zum Freifahrtschein für Eskapismus, zur lärmenden Auszeit von der Familienrealität, die man(n) sich offenbar verdient hat, allein durch biologische Vaterschaft. Dass die Kinder dabei außen vor bleiben, ist kein Widerspruch, sondern Teil des Konzepts. Die eigentliche Leistung besteht nicht im Vatersein, sondern im kollektiven Ritual des Nichtstuns, Trinkens und Selbstabfeierns. Höchste Zeit, den Vatertag abzuschaffen.
Männer – eine Gefahr für den öffentlichen Raum
Jahr für Jahr lassen sich die negativen Auswirkungen des Vatertags auf den öffentlichen Raum beobachten und doch wird daran kaum ernsthaft gerüttelt. Polizei, Rettungsdienste und Krankenhäuser berichten regelmäßig von übermäßigen Einsätzen: Körperverletzungen, Trunkenheit am Steuer, Vandalismus. Das ist eine gefährliche gesellschaftliche Doppelmoral. Der vermeintliche „Spaß“ am Vatertag, der auch noch durch das Label „Tradition“ geschützt wird, zeichnet sich durch echte Straftaten aus. Wo bleibt da der kollektive Aufschrei?
Und dabei habe ich noch nicht mal angefangen von der allgemeinen Gefahr, die von Männern ausgeht, zu schreiben. In Deutschland gibt es nahezu jeden Tag einen Femizid, Frauen werden belästigt, bedroht und und und. Männer machen tagtäglich den öffentlichen Raum für FLINTA* unsicher. Weiblich gelesene Personen treffen kollektive Sicherheitsmaßnahmen wie extra Shirts für die öffentlichen Verkehrsmittel, Saftey-Phonecalls mit Friends, Schlüssel zwischen den Fingern und klassischen „Schreib mir bitte, wenn du daheim bist“-Nachrichten. Wie kann es sein, dass wir als Gesellschaft das den Männern durchgehen lassen?
Zurück zum Vatertag: Laut dem Statistischen Bundesamt war der Vatertag im Jahr 2024 Spitzenreiter bei Alkoholunfällen im Straßenverkehr. Von insgesamt 287 Unfällen mit Alkoholeinfluss an diesem Tag endeten 204 mit Personenschäden – das war der höchste Wert im gesamten Jahr. Dabei wurden 58 Menschen schwer verletzt, eine Person kam ums Leben.
Die weitgehende Akzeptanz dieser Exzesse verweist auf ein tiefer liegendes Problem: Männliches Fehlverhalten wird normalisiert, solange es ritualisiert und kollektiv ausgeübt wird. Während Aktivist:innen oder migrantischen Gruppen bei geringsten Regelverstößen mit repressiven Maßnahmen begegnet wird, genießt der trinkende Männertrupp am Vatertag fast schon kulturellen Schutz. Das offenbart nicht nur eine ungerechte Anwendung gesellschaftlicher Normen – Patriarchat lässt grüßen –, sondern zeigt auch, wie tief das Verständnis von Männlichkeit an destruktive Verhaltensweisen gekoppelt bleibt.
Der Vatertag gehört abgeschafft
Natürlich fällt nicht jeder Vater in dieses Muster. Trotzdem ist der „Vatertag“ und die Debatte um diesen überfällig und notwendig, denn offensichtlich gibt es genug Männer, die diesen Tag mit Freude zelebrieren. Die Debatte um den Vatertag basiert aber vor allem auf der Kritik an männlichen Verhaltensmustern und der männlichen Vorstellung und Ausführung der Vaterrolle. Und die Veränderung, die hier so dringend benötigt wird – Männer, die Care Arbeit und Mental Load gerecht übernehmen, die die Vaterrolle annehmen und vor allem auch ausführen, die sich mit verantwortlich führen und so agieren, weil sie eben verantwortlich sind! – müssen Männer mittragen. Und los gehen kann es nur, wenn Männer und Väter sich endlich darüber bewusstwerden, wie viele veraltete und gefährliche Strukturen des Patriarchats in ihnen stecken – ausnahmslos. Kinder sind keine Trophäe, die gewonnen wird, sondern erfordern echte Verantwortung und kompromisslose Auseinandersetzung mit sich selbst.