„Bloß nicht auffallen“, lautet die Devise. Dezentes Makeup, saubere Kleidung, nur keine großen Taschen, die einen verraten könnten. Obdachlose Frauen halten sich so gut es geht im Hintergrund und versuchen ja keinen Trubel auszulösen. Unbeachtet nutzen sie öffentliche Einrichtungen wie Bibliotheken, wo es sicher und warm ist. Unbemerkt, vergessen aber auch sicher. Wohnungslose Frauen sind besonders gefährdet und sind oft Gewalt ausgesetzt.
Was ist Obdachlosigkeit? Zwei unterschiedliche Arten
Es gibt unterschiedliche Definitionen von Obdachlosigkeit. Der Wohnungslosenbericht 2022 vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales, stützt sich auf die Kategorisierung der European Typology of Homelessness Light.
Nach dieser Definition liegt Obdachlosigkeit vor, wenn zwei der drei folgenden Kriterien nicht erfüllt sind:
Physisch-bauliche Angemessenheit („Bewohnbarkeit“)
Rechtliche Absicherung
Soziale Angemessenheit (z. B. Privatsphäre oder die Möglichkeit, Gäste zu empfangen)
Dabei lassen sich zwei Arten von Wohnungslosigkeit unterscheiden:
Versteckte Wohnungslosigkeit: Die betroffene Person hat keine eigene Wohnung, kommt aber bei Freunden, Familie und in Notunterkünften unter.
Offene Wohnungslosigkeit: Personen, die auf der Straße leben aber nicht die Möglichkeit haben bei Bekannten unterzukommen und nur zum Schlafen in Notunterkünfte gehen.
Wohnungslosigkeit in Deutschland
Das Problem der Obdachlosigkeit ist schon lange bekannt und gehört bei den meisten Großstädten zum Stadtbild fest dazu. Erste offizielle Zahlen zur Wohnungslosigkeit in Deutschland gibt es allerdings erst seit Dezember letzten Jahres und natürlich stellt sich die Frage: Warum erst so spät? Am 08.12.2022 veröffentlichte das Bundesministerium für Arbeit und Soziales den ersten Bericht über Wohnungslosigkeit. In Deutschland leben demnach rund 260.000 Menschen, die keine eigene Wohnung haben – die meisten von ihnen sind männlich. Obdachlose Frauen hingegen sieht man deutlich seltener. Sie halten sich bewusst im Hintergrund und versuchen aus Sicherheitsgründen nicht aufzufallen. Wer keine Aufmerksamkeit auf sich zieht, ist sicherer – und seltener Gewalt ausgesetzt.
Gewalterfahrungen und Obdachlosigkeit
Wohnungslose Frauen erleben häufiger Gewalt als Männer, wobei diese natürlich auch von Gewalt betroffen sind. Allerdings gibt es Unterschiede in den Gewaltformen. Obdachlose Frauen erleben größtenteils verbale Gewalt. Doch auch Diebstahl oder Raub und Körperverletzung kommen häufig vor. Frauen sind zudem deutlich häufiger von sexualisierter Gewalt betroffen und werden öfter zur Prostitution genötigt. Besonders wenn sie offen wohnungslos sind, werden Frauen Opfer von Sexualdelikten. Schutzräume, die nur für Frauen zugänglich sind, sind daher enorm wichtig. Frauen geraten zudem öfter in Abhängigkeitsverhältnisse als Männer, indem sie zum Beispiel für einen Schlafplatz Sex anbieten. Dieser ist jedoch auch nicht sicher und bringt viele Gefahren mit sich. Vermehrt prostituieren sich auch Minderjährige, um einen Platz zum Schlafen zu finden und nachts unterzukommen.
Wie verlieren Menschen ihre Wohnung?
Die Gründe für Obdachlosigkeit sind vielfältig und viele Frauen befanden sich schon davor in einer gefährlichen Situation. Oft liegen häusliche Gewalt, lebenslange Armut und andere, damit verbundene Traumata vor. In Fällen von häuslicher Gewalt verlieren Frauen häufig ihre Wohnung. Entweder weil sie nie im Mietvertrag standen oder, um der Situation einfach so schnell wie möglich zu entfliehen. Alleinerziehende, die plötzlich verlassen werden, verlieren zudem oft ihren Job und dadurch die Wohnung. Mit Kindern schaffen es viele Frauen für eine längere Zeit bei Freunden und Verwandten unterzukommen. Jedoch verlangen auch diese nach einer Weile oft eine (finanzielle) Gegenleistung. Auch Rentnerinnen sind im Alter von Obdachlosigkeit betroffen, weil die Rente nicht mehr ausreicht und sie auch nicht mit Nebenjob und Pfandflaschen sammeln über die Runden kommen.
Lösungsansätze
Projekte wie „Housing first“ können dabei helfen, einfacher eine Wohnung zu bekommen. Dabei werden Wohnungen vermittelt, ohne sich vorab für Leistungen qualifizieren oder etwa einen Entzug erfolgreich abschließen zu müssen. Das Konzept: Eine eigene Wohnung erfüllt das ureigene Sicherheitsbedürfnis und bietet die Möglichkeit an einen Ort heimzukommen, um dort die nächsten Schritte in ein geregeltes Leben zu gehen. Housing First Projekte haben erfahrungsgemäß eine sehr hohe Erfolgsquote und viele der Betroffenen finden dadurch dauerhaft wieder eine Wohnung. Auch in einigen deutschen Städten werden solche Projekte bereits durchgeführt und auch hier zeigt sich die hohe Erfolgsquote.
Was jedoch auch dringend nötig ist: Mehr sozialer Wohnungsbau und bezahlbarer Wohnraum für Alleinstehende, Minijobber, Alleinerziehende und Rentner:innen. Zudem wäre eine Betreuung bei Amtsgängen sinnvoll, die die Betroffenen bei der Beantragung von Geldern unterstützt und erklärt, worauf man überhaupt Anspruch hat. Doch auch der Zugang zu den Geldern muss unkomplizierter, reibungsloser und schneller von statten gehen. Hier muss die Regierung aktiv werden, Vorgänge vereinfachen und optimieren und die Sozialämter vor allem auch finanziell angemessen subventionieren.