In der vergangenen Woche stimmte das Parlament der Europäischen Union (EU) darüber ab, ob vegetarische und vegane Fleischersatzprodukte als Veggie-Wurst, Soja-Schnitzel und Co. bezeichnet werden dürfen. 355 Abgeordnete stimmten erfolgreich für eine Gesetzesänderung, die verbietet, die Produkte zukünftig so zu benennen.
Persönlicher Geschmack wird zur politischen Agenda
Auch Deutschlands Landwirtschaftsminister Alois Rainer (CSU) sprach sich bereits vor Verabschiedung des Verbots in einem Bild-Interview dafür aus. „Für mich persönlich ist ein Schnitzel aus Pute, Kalb oder Schwein.“ Man muss Rainer allerdings zugestehen, dass er einen wichtigen Punkt anspricht: „Für mich persönlich.“ Dabei scheint er leider nur eines zu vergessen: Seine persönliche Meinung gilt nicht für die gesamte Gesellschaft. Viele tolerieren es nicht, wenn Vegetarier:innen und Veganer:innen ihre Ernährungsweise jemandem aufzwingen wollen – man erinnere sich an den Aufschrei, als die Grünen einen „Veggie Day“ in Kantinen vorschlugen. Andersrum scheint es aber kein Problem zu sein, wenn eine Gruppe entscheidet, dass eine Wurst immer ein Fleischprodukt sein muss. Aber dazu später mehr.
Wirtschaft schlägt Alarm
Während die Konservativen im Europaparlament argumentieren, man wolle die Arbeit der Landwirt:innen schützen, klagt die deutsche Wirtschaft. Bereits im Vorfeld hatten sich 20 Unternehmen, darunter die Discounter Aldi Süd und Lidl, Burger King sowie Beyond Meat und die Rügenwalder Mühle, gegen das Bezeichnungsverbot ausgesprochen. Die Benennungen von veganen und vegetarischen Ersatzprodukten mit vertrauten Begriffen wie Wurst, Schnitzel, etc. „helfen den Menschen dabei einzuschätzen, was sie im Hinblick auf Geschmack und Textur von einem Lebensmittel erwarten können und wie diese Lebensmittel zubereitet werden“. Müsse man diese nun fortan mit „alltagsfernen Kunstbegriffen“ beschreiben, erschwere man den Verkauf der Produkte an Kund:innen, welche bewusst nach pflanzlichen Alternativen suchen. Zudem, argumentierten die Unternehmen, würde auch die Landwirtschaft von der steigenden Nachfrage nach Eiweißpflanzen profitieren.
Realität und Politik gehen auseinander
Diese Tendenz lässt sich auch an den Zahlen der Verbraucherzentrale (Stand August 2025) sehen: „Rund 8 Millionen Menschen in Deutschland ernähren sich vegetarisch, davon etwas über 1 Million vegan“. Die Tendenz: Steigend. Auch das Angebot an veganen und vegetarischen Nahrungsmitteln wächst, mit einem geschätzten wirtschaftlichen Potenzial von bis zu 65 Milliarden Euro und bis zu 250.000 Arbeitsplätzen. „Eine Wurst ist eine Wurst. Wurst ist nicht vegan“, betont allerdings auch Bundeskanzler Friedrich Merz am 5. Oktober in der ARD-Sendung „Caren Miosga“ in Unterstützung zu der, zudem Zeitpunkt, noch bevorstehenden Abstimmung im EU-Parlament.
Bloß widerspricht selbst der Duden sowohl dem Bundeskanzler als auch dem Landwirtschaftsminister in diesem Punkt. Eine Wurst, ja, ist Nahrungsmittel aus zerkleinertem Fleisch. Aber eben auch „etwas, was wie eine Wurst aussieht, [und] die Form einer länglichen Rolle hat“ (Duden). Und alle, die schon einmal vor den Kühlregalen im Supermarkt standen, ist bestimmt aufgefallen: Leicht mit Fleischprodukten zu verwechseln sind die veganen und vegetarischen Alternativen eigentlich nicht.
Kein Mensch kauft versehentlich vegan
Denn nicht nur stehen die Produkte oft in einer separaten Reihe oder haben ein eigenes Kühlabteil. Zudem strahlt einem in den meisten Fällen eine grüne Verpackung entgegen, auf welcher groß die Worte vegan oder vegetarisch sowie das gelbe V-Label (Vegan) prangen. Und spätestens der Name verrät es endgültig: Edeka verkauft Produkte der Eigenmarke unter dem Namen „My Veggie – Veganer Räucherlachs“ oder „My Veggie – Veganes Geschnetzeltes“ und der deutsche Marktführer Rügenwalder Mühle ein „Veganes Mühlen Knusper Bleu mit Sojaprotein“ oder „Veganes Mühlen Geschnetzeltes Typ Hähnchen mit Sojaprotein“.
Lange Rede, kurzer Sinn
Was bleibt also nun? Vor allem Ironie. Ironie, dass die CDU/CSU, die sich selbst immer über alles aufregt, was sie als Verbot oder Einschränkung ihrer Ansichten und Lebensstils auffasst, nun anderen vorschreiben will, wie sie ihr Essen zu nennen haben. Ironie, dass wir in Zeiten von Klimawandel, Krieg, weltweitem Rechtsruck und vielen wichtigeren Problemen mit Konservativen über Essensbezeichnungen diskutieren müssen. Ironie, dass die Konservativen ihren eigenen Wähler:innen nicht zuzutrauen scheinen, eigenständig einkaufen und dabei die Packungsbeschreibungen lesen zu können. Ironie, dass der Teil der Bevölkerung, der sich vegan oder vegetarisch ernährt, dies offenbar sehr wohl kann, denn schließlich hat sich noch kein:e Vegetarer:in/Veganer:in öffentlich beschwert, aus Versehen ein tierisches Produkt gekauft zu haben.
Und jetzt?
Jetzt heißt es abwarten, ob die 27 EU-Staaten der vorgeschlagenen Gesetzesänderung zustimmen. Wer in der Zwischenzeit Langeweile hat, kann sich ja schon einmal Namen ausdenken, für den Fall, dass es wirklich zu dem Verbot kommen sollte.