Hinter der Kundgebung steht der Verein „Sundays for Life“, gegründet 2019 von Alicia und Andreas Düren in Augsburg. Der Verein beschreibt sich selbst als „konfessionslos, überparteilich und gemeinnützig“. Laut eigener Aussage will er „aufdecken, was Abtreibung dem ungeborenen Kind und der Frau antut“ und „die öffentliche Meinung über die Tötung ungeborener Kinder verändern“. In Social Media und auf der Straße inszeniert sich die Gruppe als Aufklärungsinitiative. Tatsächlich verbreitet sie jedoch eine einseitige, emotionalisierte Darstellung, die wissenschaftliche und gesellschaftliche Realitäten ausblendet. Das Ziel: das Thema Abtreibung zurück „ins Bewusstsein der Menschen zu bringen“ und letztlich, wie sie selbst schreiben, „das Übel der Abtreibung zu beenden“. Mit einer wachsenden Online-Reichweite und regelmäßigen Mahnwachen auf dem Rathausplatz betreibt der Verein also nichts anderes als eine Form von öffentlichem Druck auf Frauen.
Propaganda statt Lebensschutz
Auf ihren Plakaten stehen Sprüche wie „In Deutschland wird alle fünf Minuten ein Kind abgetrieben“ oder „Zu jung zum Sterben“. Dazu zeigen sie Bilder von Föten oder Kindern mit Behinderung – als emotionale Provokation, um Schuldgefühle zu erzeugen. Doch was dabei völlig außer Acht gelassen wird: Schwangerschaftsabbrüche sind keine leichte Entscheidung. Sie entstehen aus Notlagen, Angst oder aus tiefen persönlichen Gründen. Niemand „treibt einfach so ab“.
Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind weltweit rund 45 Prozent aller Abtreibungen unsicher – also medizinisch riskant oder von unqualifizierten Personen durchgeführt (Stand: 2025). Jährlich sterben daran zehntausende Frauen. Besonders betroffen sind Länder, in denen Abtreibungen verboten oder stark eingeschränkt sind. Das zeigt deutlich: Verbote verhindern keine Abtreibungen – sie machen sie nur gefährlicher. Wer wirklich Leben schützen will, müsste sich für sicheren Zugang zu medizinischer Versorgung, Aufklärung und Verhütungsmittel einsetzen. Doch genau das tun die selbst ernannten „Lebensschützer“ nicht.
Gegen Frauen, nicht für das Leben
Statt Hilfe bieten sie Schuld. Statt Empathie – Moralpredigten. Und statt Lösungen – Druck. Viele dieser Gruppierungen – auch „Sundays for Life“ – sprechen über das „Leid der Frau“, ohne jemals betroffene Frauen selbst zu Wort kommen zu lassen. Nach § 218 StGB gilt ein Schwangerschaftsabbruch in Deutschland bis heute als Straftat. Dass dieser Paragraf auch 2025 noch gilt, ist ein Skandal und Ausdruck tiefen Misstrauens gegenüber der Entscheidungsfähigkeit von Frauen. Ein Staat, der Selbstbestimmung kriminalisiert, schützt kein Leben, er bevormundet.
Auch die Realität ungewollter Schwangerschaften wird ignoriert. Viele Betroffene stehen unter enormem Druck – sie haben finanzielle Sorgen, befinden sich in instabilen Beziehungen oder sind Opfer sexueller Gewalt. Gleichzeitig fehlt es an gesellschaftlicher Unterstützung: bezahlbare Kinderbetreuung, sichere Arbeitsplätze, psychologische Hilfe. Wer Frauen verurteilt, ohne ihre Lebensumstände zu sehen, kämpft nicht für das Leben, sondern gegen Lebensrealität.
Selbstbestimmung ist Lebensschutz
Wer gegen Abtreibung ist, stellt sich gegen das Selbstbestimmungsrecht von Frauen. Denn das Recht, über den eigenen Körper zu entscheiden, ist keine Randfrage – es ist zentral für Gleichberechtigung. Eine Gesellschaft, die Frauen vorschreibt, wann und ob sie Mutter sein dürfen, nennt sich nicht „pro life“. Sie ist pro Kontrolle.
Verachtenswert ist daher nicht die Entscheidung einer Frau, sondern die Anmaßung, ihr diese Entscheidung abzusprechen. Kein Mann, keine Kirche, keine Institution sollte über ihren Körper bestimmen. Nur sie selbst. Das wäre wahrer Lebensschutz: das Leben, die Würde und die Freiheit von Frauen zu achten.