Interview mit Boxerin Tina Rupprecht: „Ziel ist der K.o. der Gegnerin“

Boxsport ist nichts für schwache Nerven – doch warum setzt man sich dem Risiko im Ring aus? Tina Rupprecht verrät im Interview, wie Boxen von ihrem Hobby zur Leidenschaft wurde.

Interview mit Boxerin Tina Rupprecht: „Ziel ist der K.o. der Gegnerin“

Sie tänzelt mit einer Leichtigkeit durch den Ring, weicht Schlägen aus und landet gekonnt Treffer. Alles erfolgt automatisch: Keine Sekunde wird verschwendet, kein Fehler darf passieren – denn das könnte das finale K.o. bedeuten. Tina Rupprecht ist 30 Jahre alt und als Profiboxerin unter dem Namen „Tiny Tina“ bekannt. Trotz ihrer kleinen Größe von 1,53 Metern kommt sie im Ring ganz groß raus. Im Alter von 12 Jahren begann die Augsburgerin das Boxen und fand schnell ihre Leidenschaft in dem Sport. Anfangs bestritt sie Wettkämpfe in der Amateurliga, bevor sie Ende 2013 in das Profilager wechselte. In diesem führte sie bisher dreizehn Kämpfe und gewann unter anderem sechs Mal die WBC-Weltmeisterschaft.

Hallo Augsburg: Wie bist du zum Boxen gekommen?

Tina: Ich war schon immer ein Kind, das sich gerne und viel bewegt hat. Ein Freund von mir machte damals Kickboxen und fragte mich, ob ich Lust auf ein Probetraining hätte. Da ich sowieso einen Sport anfangen wollte, kam ich mit und war von Beginn an begeistert. Beim Kickboxen blieb ich dann jedoch nur ein Jahr lang, bevor ich zum klassischen Boxen wechselte.

Hallo Augsburg: War es für dich am Anfang eine Überwindung Menschen zu schlagen?

„Es ist nicht nur ein Austeilen, sondern auch ein Einstecken.“

Tina: Nein, überhaupt nicht. Das Boxen ist kein Sport, bei dem man sich einfach gegenseitig verprügelt. Klar, macht man das irgendwo schon – aber alles ist kontrolliert und nach strengen Regeln. Im Ring ist es stets ein Geben und Nehmen, weshalb man ein Kämpferherz im Blut haben muss und das ist bei mir der Fall. Ich hatte also nie Hemmungen, im Gegenteil: Es motiviert mich, wenn ich treffe.

Hallo Augsburg: Was macht den Boxsport für dich so besonders?

Tina: Ich liebe den Kampf im Ring, das Eins gegen Eins nach klaren Regeln. Das Boxen ist ein ehrlicher Sport, denn du kannst nichts verstecken. Im Mannschaftssport müde zu werden fällt nicht so auf, doch im Ring bist du auf der Bühne und man sieht wirklich alles. Der Sport ist zwar hart, aber auch respektvoll und fair.

Hallo Augsburg: Wie sieht dein Trainingsplan aus?

Tina: Das hängt von der Phase ab, denn dieser wird gerade vor Wettkämpfen stets angepasst. In der Regel habe ich zehn bis zwölf Einheiten in der Woche, bei denen alles mit dabei ist: Vom normalen Box- über Ausdauer- sowie Krafttraining bis zum Sparring. Letzteres sind Probekämpfe, die mit leicht geänderten Regeln und Schutzausrüstung erfolgen. Außerdem mache ich eine Intervall-Hypoxie-Hyperoxie-Therapie (IHHT). Das ist ein Sauerstofftraining an der Atemmaschine, welches die Zellen bei der Regeneration unterstützt.

Hallo Augsburg: Könntest du das Gefühl im Ring beschreiben?

Tina: Es ist wie in einem Film: Ich nehme nichts mehr wahr, außer meiner Gegnerin. Ich bin total konzentriert, trotzdem denke ich nichts. Ich bin im Hier und Jetzt, denn anders geht das gar nicht – sonst bekomme ich sofort eins in die Fresse. (lacht)

Hallo Augsburg: Und wie ist das Gefühl danach?

„Es sind nicht nur die zehn Runden im Kampf, sondern monatelange Quälereien, die sich dann auszahlen.“

Tina: Das kommt ganz auf den Ausgang an. (zwinkert) Erstmal fällt natürlich die ganze Anspannung ab, die sich in den Wochen davor angestaut hat. Schließlich sind es nicht nur die zehn Runden im Kampf, sondern schon davor monatelange Quälereien, die sich dann bei einem Sieg auszahlen. Danach kommt Freude pur, Erleichterung und Stolz – das ist einfach schön.

Hallo Augsburg: Du sprichst von „monatelangen Quälereien“. Wie motivierst du dich dennoch immer wieder?

Tina: In erster Linie treibt mich der Siegeswille an, denn ich kenne mein Ziel und möchte gewinnen. Daneben ist es auch die Freude daran, die sicherlich eine große Rolle spielt. Wenn man dem nachgeht, wofür das Herz schlägt, dann ist die Motivation automatisch da – und das ist bei mir eben einfach das Boxen.

Hallo Augsburg: Wo liegen deine Stärken beim Boxen?

Tina: Ich bin meistens kleiner als mein Gegenüber. Dadurch versuche ich immer in den Nahkampf zu kommen und bin deshalb sehr gut im Druck ausüben. Außerdem bin ich wendig, schnell und flexibel – das macht meinen Gegnerinnen oftmals das Leben schwer.

Hallo Augsburg: Wie würden dich Gegnerinnen im Ring beschreiben?

Tina: Nervig, weil ich die ganze Zeit attackiere und anstrengend, weil ich nie Ruhe gebe. Ich bin wie ein kleiner Pitbull, der ununterbrochen um sie herumrennt. (lacht)

Hallo Augsburg: Hat das Boxen auch Einfluss auf die Haltung im Alltag?

„Jeder, der das Boxen als Leistungssport betreibt, ist eine Kämpfernatur in allen Lebensbereichen.“

Tina: Auf jeden Fall. Für mich ist der Sport eine Persönlichkeitsentwicklung, weil man viele seiner Werte mit in den Alltag nehmen kann. Einerseits äußert sich das in dem Mut die eigene Comfort-Zone zu verlassen und etwas zu riskieren. Andererseits in dem Respekt gegenüber Fremden, Kameraden sowie Kollegen. Ebenso gewinnt man in meinen Augen durch Kampfsport viel Selbstvertrauen, denn man lernt den Körper besser kennen und muss mit seinen Emotionen umgehen können.

Hallo Augsburg: Und würdest du sagen, dass das Boxen die Gewalt fördert?

Tina: Ganz im Gegenteil. Kampfsport ist das optimale Ventil, um alles herauszulassen. Das zeigt sich auch an den vielen Projekten beispielsweise für Jugendliche mit Aggressionsproblemen, die zum Boxen geschickt werden. Dort können sie sich voll auspowern, denn das Schöne ist: Es erfolgt nach klaren Regeln. Wer sich in Emotionen verliert, kann nichts mehr kontrollieren und macht nur Fehler. Stattdessen müssen sie lernen, mit ihren schlechten Gefühlen umzugehen.

Hallo Augsburg: Was war für dich bisher der größte Erfolg?

Tina: Für mich ist jeder Tag ein Gewinn, wenn ich mich im Training weiterentwickle. Natürlich ist es auch mein WM-Titel, den ich sechs Jahre lang getragen habe. Jede Verteidigung war ein Erfolg, doch der schönste Moment bleibt immer noch im Jahr 2018, als ich ihn das erste Mal in den Händen hielt. Damit ging ein Lebenstraum in Erfüllung.

Hallo Augsburg: Was unterscheidet Tiny Tina von Tina Rupprecht?

Tina: Die beiden sind ganz anders. (lacht) In meiner Freizeit bin ich total entspannt und harmoniebedürftig. Im Ring liebe ich unterdessen den Kampf und Konflikt.

Hallo Augsburg: Wirst du oft mit Vorurteilen konfrontiert?

Tina: Eigentlich nicht. Die meisten Leute wundern sich eher, sodass ich oft den Satz höre: ,Du bist doch so klein und süß, so habe ich mir eine Boxerin gar nicht vorgestellt!` Viele haben nämlich sofort den Stereotyp groß, krumme Nase und verbeulte Augen (oder so ähnlich) im Kopf – und der bin ich nun mal gar nicht. (lacht)

Hallo Augsburg: Was ist dein nächstes Ziel?

Tina: Wir sind jetzt schon an den Vorbereitungen für den nächsten Kampf im Herbst dran. Der ist allerdings noch nicht ganz sicher, deshalb möchte ich noch nicht zu viel verraten. Aber das kann ich versprechen: Die Reise geht weiter.

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