Fragt man einen Augsburger: Was haben die Kantine, die Soho Stage und das Weisse Lamm gemeinsam? Da wird die Antwort bei den meisten wohl nur ein verwirrtes Kopfschütteln sein. Auf den ersten Blick sind da nämlich nur von Grund auf verschiedene Konzepte zu sehen – und doch gibt es eine feste Verbindung der drei Locations: Sebastian Karner. In der Stadt aufgewachsen, ist er nun schon seit Jahrzehnten ein Teil des Augsburger Nachtlebens und maßgeblich an dessen Gestaltung beteiligt. Dabei gründete er im Jahr 2002 gemeinsam mit Freunden die Kantine und führte den Club mit Leidenschaft durch Höhen und Tiefen. Seit 2015 ist er zudem der Besitzer vom Weissen Lamm und der Soho. Als Vorstand der Club und Kulturkommision e. V. setzt er sich zudem für die Interessen der Augsburger Clubbesitzer:innen ein.
Hallo Augsburg: Wie bist du zu dem Beruf gekommen?
Sebastian: Über das Auflegen. Früher gab es in Augsburg den Siedlerhof, in dem wir als Jugendliche zum Feiern gingen. Zwar fanden wir den Laden echt toll, die Musikauswahl allerdings nicht immer ganz gelungen. Also haben wir uns damals mit einer Kassette beworben, um vor der eigentlichen Disko aufzulegen. Unsere Musik kam echt gut an, sodass wir im Siedlerhof regelmäßig zur Hauptzeit und auch in anderen Clubs auftreten durften. Das ging so lang, bis uns im Jahr 2002 die Idee kam, die Kantine zu gründen.
Hallo Augsburg: Und wie bist du zum Weissen Lamm und der Soho Stage gekommen?
„Ich habe versucht, die beiden mit Leidenschaft fortzuführen und mit dem Wissen, was für besondere Orte sie sind.“
Sebastian: Richard Goerlich hat im Theaterviertel das Weisse Lamm gegründet, das inhaltlich mit Indie-Pop sehr nah an der Kantine lag. Für uns bedeutete das eine ziemliche starke Konkurrenz, sodass ich alleine deswegen nicht besonders gut auf ihn zu sprechen war. Als Richard dann der erste Popkulturbeauftragte der Stadt wurde, setzte er sich in seinem Amt dennoch aktiv für die Kantine ein. Das habe ich ihm immer hoch angerechnet. Schnell merkte ich, dass er einfach ein guter Typ ist, und eine Freundschaft entwickelte sich. Als er seine Clubs aufgab, übernahm ich das Lamm und die Soho.
Hallo Augsburg: Wie sieht dein Arbeitsalltag aus?
Sebastian: Anders als viele glauben, gibt es von Montag bis Freitag sehr wohl viel zu tun. Wir haben ein Büro mit zehn Arbeitsplätzen für alle Firmen zusammen. Dort entwerfen wir das Programm, bestellen die Getränke und planen das Personal ein. Auch die Buchhaltung und die Jahresabschlüsse sind wichtige Aufgaben. Es passiert also alles, von der Idee bis zur Durchführung, bei uns im Haus.
Hallo Augsburg: Wie oft gehst du dann selbst noch feiern?
Sebastian: Relativ selten, aber dann ziemlich ausgiebig. Stattdessen habe ich zwei Kinder, die gerade mit dem Ausgehen anfangen.
Hallo Augsburg: Was macht für dich einen guten Club aus?
Sebastian: Ein guter Club braucht auf jeden Fall ein kuratiertes Programm anstatt einer willkürlichen Aneinanderreihung verschiedenster Partys. Auch ein gutes Licht- und Soundkonzept ist eine Grundlage. Zudem finde ich es wichtig, dass ebenso Gäste von außerhalb auftreten und nicht immer nur die gleichen lokalen Künstler:innen.
Hallo Augsburg: Wie würdest du den typischen Lamm-, Kantine- und Soho-Gast beschreiben?
Sebastian: Der typische Soho-Gast ist in meinen Augen sehr musik- und liveaffin, denn der Club generiert sein Publikum spezifisch und gezielt in bestimmten Genres. Dabei treten oftmals Newcomer auf, die dann kurze Zeit später groß werden.
Die Kantine ist unterdessen vor allem an Studierende oder Auszubildende ausgerichtet, die gerne auch mal „hart“ zum Feiern geht. Doch durch unsere Live-Künstler:innen wird ebenso ein konzertaffines Publikum angesprochen.
Beim Weissen Lamm trifft sich dann ein durchaus alternativ angehauchtes Publikum, das beim Ausgehen auf keinen Fall den typischen Mainstream möchte. Stattdessen liegt viel Wert auf dem Ambiente und der Musikauswahl.
Hallo Augsburg: Was sind wichtige Werte, die du in deinen Clubs vertreten haben möchtest?
Sebastian: Ehrlichkeit, Offenheit und Toleranz. Außerdem legen wir einen großen Wert darauf, dass wir auch kleinen Künstler:innen möglichst faire Gagen bezahlen.
Hallo Augsburg: Wie war es für dich, als die Kantine in Zeiten der Corona-Pandemie zum Testzentrum wurde?
Sebastian: Es war total skurril aus einem Club ein super durchgetaktetes und auf die Hygiene achtendes Testzentrum zu machen. Trotzdem hat es großen Spaß gemacht, weil wir zumindest wieder aufmachen konnten. Außerdem habe ich dadurch meinen jetzigen Betriebsleiter kennengelernt – es hatte also auch etwas Schönes und Nachhaltiges. (lacht)
Hallo Augsburg: Was sagst du zum Augsburger Nachtleben?
Sebastian: Ich bin ein bisschen besorgt darum. Schon vor Corona hat sich ein Negativ-Trend abgezeichnet, der sich bis auf den kurzen Hype nach dem Lockdown nun weiter fortsetzt. Meiner Meinung nach fehlt dem Nachtleben – ähnlich wie dem Handel – die Zugkraft, um die Menschen aus dem Umland in die Stadt zu ziehen. Dadurch gibt es viele Freitage, die für einen Wochenendtag in der Innenstadt echt ruhig sind.
Hallo Augsburg: Warum haben sich deiner Meinung nach die Feierzeiten im Laufe der Jahre in die frühen Morgenstunden verlagert?
„Es ist einfach schwieriger geworden, in der Branche Geld zu verdienen.“
Sebastian: Für mich hängt das damit zusammen, dass die Sperrstunde der Kneipen und Bars von 1 Uhr nach hinten verlegt wurde. Dadurch kommen die Leute erst später in den Club, bleiben allerdings auch nicht sehr viel länger als früher. Das macht es für uns nochmal schwerer in dieser kurzen Zeit rentable Umsätze zu erreichen.
Hallo Augsburg: Was erwartest du vom Augsburger Nachtleben in der Zukunft?
Sebastian: Ich befürchte, dass es eine Marktbereinigung geben wird, durch die es nicht alle schaffen werden. Da steckt natürlich auch eine Angst dahinter, denn es kann einen selbst genauso treffen. Zugleich denke ich jedoch auch, dass so etwas nicht immer etwas Schlechtes bedeuten muss.
Hallo Augsburg: Was sagst du zu der Baustelle am Theater und den Plänen der Stadt für das Viertel?
Sebastian: Die Baustelle an sich ist auch aufgrund der zeitlichen Komponente eine Belastung fürs Viertel und wir sind in direkter Nachbarschaft besonders stark davon betroffen. Ein Presslufthammer oder Bagger auf der Baustelle ist bei uns auf der Terrasse laut und innen auch deutlich zu hören. Wir verzeichnen tagsüber einen signifikanten Umsatzeinbruch im Vergleich zu den Zeiten als das Theater noch in Betrieb war. Wir gehen aber mit gutem Beispiel voran und beschweren uns nicht. Wir vermissen das Theater und freuen uns auf den Tag der Wiedereröffnung am alten Standort. Uns wurde bereits zu Beginn der Bauarbeiten in Aussicht gestellt, dass auch im Umfeld etwas passieren wird. Das ist auch ein Ergebnis der des damaligen Bürgerbeteiligungsprozesses. Es ist wichtig, dass neben den notwendigen Sanierung vom großen Haus samt Werkstätten etc. auch im Umfeld was passiert. Die Theaterbaustelle ist eben mehr als nur Sanierung. Es soll ein Stadtteil nachhaltig aufgewertet werden. Das Theaterviertel soll zentral für die zukünftige Augsburger Stadtentwicklung sein und einen wesentlichen Impuls gegen das Ausbluten der Innenstadt liefern.