Leben am Seidenen Faden: Puppenspieler Hans im Interview

Hans Kautzmann arbeitet seit 32 Jahren bei der Augsburger Puppenkiste. Er steht in der Werkstatt, baut Marionetten und erweckt sie durch sein Spiel zum Leben. Im Interview verrät er mehr über den Beruf und gibt einen Einblick hinter die Kulissen.

Leben am Seidenen Faden: Puppenspieler Hans im Interview

Die Augsburger Puppenkiste erfreut die Menschen schon seit 1948 mit ihren Aufführungen. Noch immer ist das Theater ein Familienunternehmen, das heute von Klaus Marschall geführt wird. Er ist ein Enkel des einstigen Gründers Walter Oehmichen. Auf dem Programm stehen neben aufwendig interpretierten Klassikern auch ein jährlich neu aufgelegtes Kabarett.

Hallo Augsburg: Wie bist du zum Puppenspiel gekommen?

Hans: Nach der Schule begann ich ein Studium im Bauingenieurwesen, das ich allerdings schon kurze Zeit später abbrach. Folglich musste ich mich mit meiner Zukunft neu auseinandersetzen. In dieser Phase ergab sich durch Zufall die Möglichkeit, dass ich in die Augsburger Puppenkiste reinschnuppern konnte – und kaum zwei Wochen später war ich schon angestellt. Das ist so aber eher untypisch. (lacht)

Hallo Augsburg: Wie läuft es denn dann im Normalfall ab?

„Wenn niemand den Vorhang aufzieht, dann sieht man nichts. Wenn keiner aufs Band drückt, dann hört man nichts. Das Ganze funktioniert nur im Zusammenspiel.“

Hans: In der Regel macht man erstmal ein zweiwöchiges Praktikum und kann sich dann auf eine Stelle bewerben. Da innerhalb des Ensembles eine enge Zusammenarbeit erfolgt, ist es für uns besonders wichtig, dass die Harmonie untereinander stimmt. Das abschließende Wort hat dann die Familie Marschall, da die Puppenkiste ihr Betrieb ist.

Hallo Augsburg: Wie sieht die Ausbildung zum Puppenspieler aus?

Hans: Eine Ausbildung gibt es nicht direkt. Stattdessen wird man als Ensemblemitglied eingestellt und ist von Beginn an für alle Bereiche mit zuständig. Dabei ist vieles einfach „Learning by doing“. Auch in die Rollen der Marionetten wächst man erst mit der Zeit rein, denn da erfolgt der Unterricht begleitend in Form von stetig kleinen Korrektiven. Allgemein gilt die Faustregel, dass nach rund drei Jahren mittlere Rollen und nach rund sechs Jahren die ersten Hauptrollen gespielt werden können. Das variiert jedoch stark, da dies von einer Vielzahl an Faktoren wie Talent, Unterricht und Lampenfieber abhängt.

Hallo Augsburg: Wie sieht dein Arbeitsalltag aus?

Hans: Das ist ganz unterschiedlich, denn in der Augsburger Puppenkiste werden alle Werkstätten von dem Ensemble selbst betrieben. Ich bin dabei in fast allen Bereichen tätig, darunter fällt unter anderem die Schreinerei, der Malersaal, die Kulissen, das Museum, die Requisite sowie der Unterricht. Außerdem nehme ich Pressetermine wahr und arbeite mit externen Firmen zusammen. Aktuell räume ich den Dachboden auf – das hört sich jetzt bestimmt schlimmer an als es ist. (zwinkert) Doch es ist wirklich Wahnsinn, was man da noch alles entdecken kann!

Hallo Augsburg: Wer schreibt die Stücke und wie laufen die Proben ab?

Hans: Die Stücke kommen stets aus dem Ensemble oder von der Familie Marschall. Dabei läuft die Umsetzung parallel zum normalen Spielbetrieb, sodass es rund ein Jahr dauert, bis wir ein neues Werk aufführen können. Die Proben filmen wir in der Regel, um unsere Arbeit danach genau zu analysieren. Dabei fallen Unstimmigkeiten auf, beispielsweise dass wir zu nah beieinanderstehen.

Hallo Augsburg: Wo liegen die größten Schwierigkeiten beim Puppenspiel?

„Das Schauspiel findet bei uns mit den Händen statt.“

Hans: Ein wichtiger Aspekt ist, dass man sich von der Technik lösen und mit den Marionetten agieren kann. Als Spieler muss man in die Rolle schlüpfen und diese durch die Hände auf die Puppe übertragen. Meiner Meinung nach wirken diese nämlich nur deshalb so lebendig, weil dahinter eine echte Person steckt.

„Wir sind ein wenig wie Kunstkranfahrer.“

Außerdem gilt der Grundsatz: Alles, was vertikal stattfindet, ist relativ leicht. Doch wenn es um die horizontalen Bewegungen geht, dann wird es schwerer. Der Grund dafür ist, dass die Puppen an 2.80 Meter langen Fäden hängen. Wir müssen also ausreichend Schwung holen, mit dem Spielkreuz ein wenig nachgeben und dann rechtzeitig wieder abbremsen. Nur so kann die Puppe zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein und schwingt nicht unkontrolliert hin und her.

Hallo Augsburg: Wie sehr hat sich das Puppenspiel verändert, seitdem du damit angefangen hast?

Hans: Das reine Puppenspiel hat sich gar nicht verändert, doch im Hinblick auf die Vertonung hat sich im Lauf der Geschichte einiges getan. In den Ursprüngen haben die Spieler:innen ihre Rolle während der Vorführung noch selbst gesprochen. Die Hauptrollen werden bei uns allerdings in gebeugter Haltung und mit dem Rücken zum Publikum gespielt, sodass es für die Zuhörer:innen oftmals nur schwer verständlich war. Aus diesem Grund stellte man kurze Zeit später Schauspieler:innen an, die das Stück live aus dem Bühnenraum heraus mitsprachen. Schließlich ging man – vermutlich aus Kostengründen – zu Bandaufnahmen über. Diese wurden bis vor einem Jahr noch verwendet, doch nun durch Sticks ersetzt.

Hallo Augsburg: Wir leben in dem Zeitalter der Digitalisierung. Nehmen die Kinder die Puppenkiste noch so an wir früher?

„Die Puppenkiste kann nicht mehr den gleichen Stellenwert wie früher haben, weil daneben einfach noch viel mehr existiert.“

Hans: Das geht gar nicht. In meiner Kindheit gab es genau drei Programme, von denen keines nur für Kinder war. Wenn also mal etwas kam, dann haben wir das förmlich aufgesogen. Heutzutage konsumiert man viel mehr und auch die Auswahl ist weitaus größer. Dadurch kann die Puppenkiste gar nicht mehr den gleichen Stellenwert haben.

Hallo Augsburg: Würdest du sagen, dass sich die Puppenkiste dann in Zukunft noch behaupten kann?

Hans: Hoffentlich, aber ich denke eigentlich schon. Gerade in dem Theater sehe ich schon das Potenzial, doch ob es mit dem Fernsehen und Streamingdienst noch etwas wird? Das werden wir sehen.

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