Leiter des Ordnungsamtes Augsburg: „Es geht nicht darum, möglichst viele Verwarnungen auszusprechen”

Die uniformierten Ordnungsamt-Mitarbeitenden sind bekannt. Doch wie sieht es hinter den Kulissen aus? Leiter Andreas Bleymaier verrät im Interview mehr über die Arbeit bei dem Amt.

Leiter des Ordnungsamtes Augsburg: „Es geht nicht darum, möglichst viele Verwarnungen auszusprechen”

Viel zu schnell rast der kleine Junge auf dem Fahrrad durch die Fußgängerzone. Eine alte Frau kann in letzter Sekunde noch ausweichen und fasst sich schockiert an die Brust. Fast wäre es zu einem Unfall gekommen. Um solchen fahrlässigen Situationen vorzubeugen, achtet das Ordnungsamt auf die Einhaltung gewisser Regeln. Leiter dieser Behörde ist der 37-jährige Andreas Bleymaier aus Augsburg. Er steht an der Spitze von knapp 160 Mitarbeitenden und bringt ein Stück Sicherheit in die Straßen der Stadt.

Hallo Augsburg: Wie sind Sie zu Ihrer Stelle als Leiter des Ordnungsamtes gekommen?

Bleymaier: Nach dem Studium war ich zunächst zwei Jahre in der Personalverwaltung der Stadt Augsburg tätig, doch ich habe mich schon damals sehr für die Themenfelder der öffentlichen Sicherheit und Ordnung interessiert. Als ich im Jahr 2010 von dem damaligen Amtsleiter angeworben wurde, habe ich die neue Stelle gerne angenommen und meine Entscheidung nie bereut – ganz im Gegenteil. Ich war erst in verschiedenen Funktionen innerhalb der Ordnungsverwaltung tätig, bevor ich Anfang 2021 schließlich die Leitung übernommen habe.

Hallo Augsburg: Was fällt alles in den Zuständigkeitsbereich des Ordnungsamtes?

Bleymaier: Grundsätzlich alles, was mit öffentlicher Sicherheit zu tun hat. Das Aufgabenspektrum ist also unglaublich breit: Beginnend mit den Bereichen der klassischen Eingriffsverwaltung wie beispielsweise Waffenrecht, Prostitution und Glücksspiel geht es über Serviceaufgaben wie Veranstaltungen, Gewerbe und Gastronomie bis hin zur Bußgeldstelle sowie Verkehrsüberwachung.

Hallo Augsburg: Was für eine Ausbildung gilt es für eine Stelle beim Ordnungsamt zu absolvieren?

Bleymaier: Das kommt ganz darauf an, denn das Ordnungsamt ist kein reines Verwaltungsamt, sodass hier Mitarbeitende mit ganz unterschiedlichen Anforderungen beschäftigt sind. Ein kleiner Vergleich: Als uniformierter Außendienstmitarbeitender benötigt man mindestens eine dreijährige Berufsausbildung und im Anschluss nach Einstellung zusätzlich noch eine einjährige Zusatzausbildung an der Bayerischen Verwaltungsschule. Im „Innendienst“ ist stattdessen oftmals die Absolvierung eines Studiums an der Hochschule für den öffentlichen Dienst erforderlich.

Hallo Augsburg: Welche Aufgaben übernehmen Sie als Leiter?

„Eine möglichst harmonisch lebende Gemeinschaft benötigt erfahrungsgemäß gewisse Regeln, die auch überwacht werden müssen.“

Bleymaier: Das kann man pauschal nicht sagen. Wenn ich in der früh ins Büro komme, weiß ich oft nicht, welche Aufgaben und Herausforderungen an diesem Tag anstehen. Es kommt regelmäßig zu kurzfristigen Problemstellungen, auf die schnell reagiert werden muss. Dabei greife ich selten in das Tagesgeschäft ein, sondern bin für grundsätzliche Entscheidungen zuständig. Oftmals müssen dabei leider auch unschöne Entschlüsse getroffen werden.

Hallo Augsburg: Wo liegen die wesentlichen Unterschiede zur Polizei?

„Die Polizei ist für Straftaten zuständig, das Ordnungsamt für Ordnungswidrigkeiten.“

Bleymaier: Hier gibt es eine bayerische Besonderheit, die man so nicht in allen Bundesländern vorfindet. Dadurch ist das Ordnungsamt vorrangige Sicherheitsbehörde im Stadtgebiet Augsburg. Die Polizei muss also nur dann tätig werden, wenn wir es nicht rechtzeitig schaffen.

Hallo Augsburg: Haben Sie viel mit Hass zu kämpfen?

Bleymaier: Leider ja, und zwar vermehrt in quantitativer und qualitativer Hinsicht. Die Anzahl der verbalen und körperlichen Übergriffe auf Mitarbeitende des Ordnungsamtes haben in den letzten Jahren massiv zugenommen. Nachdem ich Außeneinsätze oftmals begleite, bleibt es auch für mich nicht aus, entsprechende Vorfälle mitzuerleben. Absolutes „Highlight“ in negativer Hinsicht waren die Krawalle in der Maximilianstraße im Juni 2021. Ein derartiges Ausmaß an Gewalt habe ich in meinen 13 Jahren in der Ordnungsverwaltung nicht erlebt.

Hallo Augsburg: Werden angesichts dessen Vorkehrungen zur Sicherheit der Mitarbeitenden getroffen?

Bleymaier: Wir investieren unglaublich viel in die Fortbildung der Belegschaft. Diese erhalten mindestens einmal im Monat ein Einsatztraining, bei dem es primär darum geht, die Konflikte möglichst durch Kommunikation zu lösen. Doch auch Selbstverteidigungselemente sind mitinbegriffen, damit die Mitarbeitenden im Notfall Dritte schützen und auch sich verteidigen können.

Hallo Augsburg: Nehmen Sie Ihre Arbeit manchmal mit nach Hause?

Bleymaier: Ja! Es gibt besondere Fälle, bei denen ich nicht so einfach abschalten kann. Dies können Einzelschicksale von Betroffenen oder schwerwiegende Entscheidungen sein, die ich gedanklich immer wieder durchgehe. Ansonsten ist die Arbeit beim Ordnungsamt auch kein klassischer 9 to 5-Beruf. Wenn es abends, nachts oder am Wochenende zu besonderen Vorkommnissen oder Problemstellungen kommt, klingelt schonmal mein Handy. Aber das gehört in dieser Position dazu und damit muss man eben rechnen.

Hallo Augsburg: Wird unter den Mitarbeitenden verglichen, wie viele Straftaten aufgenommen wurden?

„Die Zahl an Verwarnungen ist für uns kein Auswahlkriterium für Prämien oder Aufstiegschancen.“

Bleymaier: Falls das untereinander der Fall ist, dann weiß ich zumindest nichts davon. Bei uns in der Verwaltung spielt diese Zahl keine Rolle. Meiner Meinung nach zeichnet einen guten Mitarbeitenden des Ordnungsamtes aus, dass er gesetzliche Regelungen mit Augenmaß vermitteln und durchsetzen kann. Dabei geht es nicht darum viele Verwarnungen auszusprechen, sondern die Situationen möglichst kommunikativ zu lösen.

Hallo Augsburg: Inwieweit haben die Mitarbeitenden denn einen Entscheidungsspielraum?

Bleymaier: Im Sicherheits- und vor allem Ordnungswidrigkeitenrecht gibt es in den meisten Fällen das Opportunitätsprinzip, sodass Mitarbeitende grundsätzlich selber entscheiden können, ob und wie sie tätig werden. Gerade wenn die Person Einsicht zeigt und niemand gefährdet wird, sehen wir oftmals von einer gebührenpflichtigen Verwarnung ab. Dagegen gibt es allerdings auch Sachverhalte, bei denen es eine klare Linie gibt. Wer zum Beispiel eine Zigarettenkippe auf den Boden wirft, muss ein Bußgeld bezahlen – da gibt es keine Diskussion.

Hallo Augsburg: Was war die größte Herausforderung, mit der das Ordnungsamt zu kämpfen hatte?

Bleymaier: Ganz klar die Corona-Pandemie. Die gesellschaftlichen Nachwirkungen sind nach wie vor stark spürbar.

Hallo Augsburg: Was würden Sie den Leuten gerne über das Ordnungsamt sagen, was vielleicht die Meinung vieler ändern würde?

Bleymaier: Ich weiß nicht genau, ob wirklich viele Leute eine schlechte Meinung über das Ordnungsamt haben. Zumindest hoffe ich, dass es nicht so ist. Aber ganz allgemein: Überwinden Sie sich und sprechen Sie uns an. Es ist unsere oberste Aufgabe, den Menschen mit einem offenen Ohr zur Verfügung zu stehen. Und dabei ist es egal, ob es um die Frage nach dem nächsten öffentlichen WC geht oder um die Durchführung einer Großveranstaltung.

Logo