Wie eine Festnahme in Handschellen zum Ursprung der Bloc-Hütte wurde

Vor kurzem feierte die Bloc-Hütte in Augsburg ihr zehnjähriges Bestehen. Wir wollten wissen, was das Erfolgsrezept der Boulderhalle ist, und haben bei den Besitzern, Michael Beuter und Ulrich Bär, nachgefragt.

Wie eine Festnahme in Handschellen zum Ursprung der Bloc-Hütte wurde

Es ist ein stürmischer Donnerstag in Augsburg. Zu dieser Zeit arbeiten die meisten noch. Das ist der einzige Grund, warum am Vormittag nur vereinzelt Leute in der Bloc-Hütte in Augsburg anzutreffen sind. Spätestens ab 18 Uhr ist es in der berühmt berüchtigten Boulderhalle im Stadtteil Oberhausen brechend voll. Von Kindern über Erwachsenen bis hin zu Senior:innen ist sich niemand zu schade, die Kletterschuhe anzuziehen und sich in mehr oder weniger schwindelerregende Höhen zu wagen.

Vor zehn Jahren haben Ulrich Bär und Michael Beuter die Bloc-Hütte eröffnet. Als leidenschaftliche Kletterer war es ihnen eine Herzensangelegenheit, eine Anlaufstelle in Augsburg zu errichten. Doch das war nur eine von mehreren Geschäftsideen. Zuvor betrieben sie ein Rafting-Unternehmen in Österreich. Parallel dazu eröffneten sie die Bergsporthütte in Augsburg, in der sie Sportbekleidung und -ausrüstung verkaufen. Was ist ihr Erfolgsrezept? Wir haben den Beiden einen Besuch abgestattet.

Hallo Augsburg: Viele wissen gar nicht, dass die Bloc-Hütte nur eine eurer vielen Geschäftsideen ist. Woher kommt der Unternehmergeist?

Ulrich: Wir beide sind Vollblutkletterer. Das ist unser Motor. Daher haben wir unter anderem auch die Bergsporthütte in Augsburg gegründet. Vor einigen Jahren kam die Idee auf, eine Boulderhalle aufzumachen und diese haben wir realisiert.

Michael: Wobei der Ursprung noch früher war: Davor haben wir acht Jahre lang ein Rafting-Unternehmen betrieben und sind mit Tourist:innen durch das Wildwasser gefahren. Später haben wir parallel die Bergsporthütte vor Ort geführt.

Hallo Augsburg: War euch schon immer klar, dass ihr in diese Richtung gehen wollt?

Michael: Wir wollten unsere Leidenschaft für den Sport mit dem Beruf verbinden. Das Rafting-Unternehmen war ein leichter Einstieg, da es nicht so viele Angebote gab. Anschließend haben wir festgestellt, dass es in Augsburg keinen vernünftigen Bergsportbedarf und keine vernünftige Beratung gibt. Deswegen haben wir dann beschlossen, selbst einen Laden zu eröffnen sowie Ausrüstung zu verkaufen. Ähnlich war es auch mit dem Bouldern: Irgendwann ist diese Sportart beliebter geworden und wir haben festgestellt, dass es keine Boulderhalle in Augsburg gibt – also haben wir eine aufgemacht.

„Mittlerweile sprießen die Boulderhallen wie Pilze aus dem Boden.“ – Ulrich

Hallo Augsburg: Also entstand die Bloc-Hütte durch einen Trend?

Ulrich: Die Zeit war reif. Wir haben früher oft darüber gesprochen und uns überlegt, in der Innenstadt etwas Kleines aufzumachen. Der Bekanntheitsgrad ist im Laufe der Zeit aber so gewachsen, dass wir es gescheit machen wollten. Deswegen haben wir die Bloc-Hütte selbst mit aufgebaut. Mittlerweile sprießen die Boulderhallen wie Pilze aus dem Boden.

Michael: Es war schon ein gewisses Risiko, da damals noch nicht klar war, dass das Bouldern mehr Zuspruch bekommen wird. Aber es funktionierte und wir sind glücklich darüber.

Hallo Augsburg: Wieso habt ihr das Rafting-Unternehmen aufgeben müssen?

Ulrich: Grund war in erster Linie die fehlende Zeit. Am Wochenende haben wir das Rafting-Unternehmen betrieben, unter der Woche die Bergsporthütte. So mussten wir sieben Tage die Woche arbeiten. Irgendwann kamen wir an den Punkt, an dem wir gesagt haben, dass es so nicht mehr weitergehen kann. Wir sind leidenschaftliche Kletterer und wollen unsere Zeit dementsprechend für das Klettern nutzen.

Michael: Es hat viel Spaß gemacht, aber als Kletterer ist man freizeitorientiert, man will an den Felsen und man will auch reisen. Es war schwer, das alles unter einen Hut zu bekommen.

Hallo Augsburg: Wie kamt ihr zum Sport und wo habt ihr das Klettern gelernt?

Ulrich: Zu meiner Zeit gab es keine Kletterhallen. Da hat man draußen geklettert. Irgendwann habe ich dann das Felsklettern ausprobiert. Meine erste Location war Kronstein im Altmühltal, später die Alpen. Das Bouldern gibt es zwar schon lange, aber früher galt es als Training für das richtige Klettern mit Seilen. Erst später hat sich herauskristallisiert, dass Bouldern als eine eigenständige Sportart betrachtet werden kann.

Michael: Bei mir gibt es eine lustige Geschichte dazu: Mit 15 Jahren bin ich mit einem Schulfreund auf Fassaden geklettert – sprich Hochhäuser, von Balkon zu Balkon und die Regenrinnen entlang. Das ging eine Weile lang gut, bis uns die Polizei aufgehalten und uns mit Handschellen abgeführt hat. Sie dachten, wir wollten einbrechen. Die Sache wurde relativ schnell klargestellt. Unsere Eltern haben uns daraufhin aufgefordert, stattdessen zum Alpenverein zu gehen und an einem Kurs teilzunehmen. Also haben wir einen Kletterkurs in Augsburger belegt. Dort habe ich dann Uli kennengelernt.

Hallo Augsburg: War es zum einen auch der Kick?

Michael: Bestimmt. Es ist aber vielmehr eine Mischung aus dem sportlichen Erlebnis und der „Ausgesetztheit“.

Hallo Augsburg: Welche Farbe bouldert ihr selbst in der Bloc-Hütte?

Ulrich: Meistens rot, ab und zu auch schwarz.

Michael: Bei mir ist es blau und rot.

Info:

Jede Farbe der Boulder repräsentiert die Schwierigkeitsstufe. Nach Gelb, der leichtesten Route, kommt Grün, Orange, Weiß, Blau, Rot und Schwarz. Um die letzten drei Farben zu bouldern, ist viel Training und Erfahrung notwendig.

Hallo Augsburg: Lieber indoor oder outdoor?

Ulrich: Für mich ist es Bouldern in der Halle – am besten mit anderen Leuten zusammen. Das macht in der Gemeinschaft total viel Spaß. Und man hat immer ein gutes Absprunggelände. Im Freien ist das nicht unbedingt immer der Fall. Seilklettern in der Halle wiederum taugt mir nicht, da gehe ich lieber raus.

Michael: Bei mir ist es ähnlich. Für mich ist das Outdoor-Klettern und -Bouldern sehr wichtig – darauf zu verzichten, könnte ich mir gar nicht vorstellen. Das Indoor-Bouldern ist für Trainingszwecke und vor allem unter der Woche genial. Die Leute haben eine weiche Absprungmatte, welche die Knochen schont, und generell ist das Risiko, dass etwas passiert, gering. Draußen besteht dagegen eine hohe Verletzungsgefahr.

„Wir haben das Bouldern quasi von hinten aufgerollt.“ – Michael

Hallo Augsburg: Bouldern ist über die Jahre zum Trendsport geworden. Würdet ihr behaupten, dass mit der Bloc-Hütte das Klettern in Augsburg salonfähig gemacht wurde?

Ulrich: Ja, würde ich sagen. Zumindest waren wir beteiligt.

Michael: Ich bin mir sogar ganz sicher. Es gab vor der Bloc-Hütte noch andere Angebote. Aber meiner Meinung nach wusste keiner, wie eine Boulderhalle richtig umgesetzt wird. Das waren Räume für Hardcore-Kletterer. Ein Otto Normalverbraucher hat da keine Chance mitzuhalten. Wir haben das Bouldern quasi von hinten aufgerollt, da wir wollen, dass jeder bouldern kann. Daher auch die Kinderecke. In der Bloc-Hütte muss niemand Leistungssportler:in sein. Jeder kann sofort damit anfangen.

Ulrich: Das ist auch das Schöne hier: Dass jemand, der schwarze Boulder klettert, direkt neben einem ist, der vielleicht erst anfängt. Das Miteinander ist der Geist der Bloc-Hütte.

Hallo Augsburg: Habt ihr Tipps für Neulinge, um Höhenangst zu überwinden?

Ulrich: Langsam anfangen, sich langsam steigern. Ruhig auch mal probieren, gezielt von oben herunterzuspringen. Wenn es einem zu hoch ist, einfach wieder runterklettern.

Michael: Wir haben hier die Besonderheit, dass viele Boulder aussteigbar sind. Heißt, wenn man oben – am provisorischen Gipfel – angekommen ist, kann man zur Leiter gehen und dort hinuntersteigen. Ich glaube das nimmt vielen die Höhenangst, weil sie sich keine Gedanken darüber machen müssen, wie sie eigentlich wieder runterkommen. Außerdem haben wir verschieden hohe Wände mit verschieden schweren Routen.

Ulrich: An Höhe kann sich ein Mensch gewöhnen. Höhenangst hat eigentlich fast jeder – mal mehr, mal weniger.

Hallo Augsburg: Warum sollten eurer Meinung nach alle einmal das Bouldern ausprobieren?

Ulrich: Es ist zum einen ein sehr kommunikativer Sport: Man findet schnell Kontakt zu anderen, man kann miteinander und gleichzeitig bouldern. Zum anderen ist es ein guter Ganzkörpersport, denn hierbei spielt Kraft, Bewegung, Flexibilität sowie Technik eine Rolle. Bouldern kann man bis ins hohe Alter hin betreiben. Adi ist mit 86 Jahren zum Beispiel der älteste Kletterer, der mit seiner Jahreskarte zweimal die Woche hierherkommt. Zudem braucht man nicht viel Ausrüstung.

Michael: Ich wüsste keine andere Sportart, welche man mit seiner Familie, mit seinen Freund:innen oder Bekannten so gut zusammen betreiben kann. Selbst, wenn ihr unterschiedlich schwere Routen bouldert, könnt ihr zusammen klettern sowie euch gegenseitig unterstützen. Jeder kommt auf seine Kosten. Beim Radfahren oder Bergsteigen dagegen bleibt der oder die Schwächere meist auf der Strecke und verliert die Lust.

Hallo Augsburg: Ein einmaliger Besuch in der Bloc-Hütte kostet Neugierige inklusive Leihschuhen bis zu 16,30 Euro. Wie kommt der hohe Preis zustande?

Michael: Realistisch gesehen ist es gar nicht so teuer. Ein Fitnessstudio stellt zum Beispiel lediglich die Geräte rein und das wars. Wir schrauben jede Woche jeweils eine Farbe komplett um, wodurch ein großer Kostenaufwand entsteht. Die Griffe werden erst herausgeschraubt, dann gereinigt, getrocknet und wieder hereingesetzt. Das übernehmen professionelle Routenbauer:innen, die das hauptberuflich machen und ihr Geld lediglich vom Umschrauben der Boulder verdienen.

Ulrich: Das kostet uns einen Tagessatz von rund 300 bis 400 Euro. Die Routenbauer:innen haben unglaublich viel Erfahrung, müssen kreativ sein und sind meistens sehr gute Kletterer. Es ist ein riesiger Aufwand. Außerdem investieren wir viel in neue Griffe, da diese sich schnell abnutzen. Mit der Zeit werden sie rutschiger und sind nur noch schwer sauber zu bekommen. Mit 15 bis 20 Stück bewegen wir uns im Tausenderbereich.

„Also mussten wir an einer Abseilstelle übernachten.“ – Ulrich

Hallo Augsburg: Von welchem Kletter-Abenteuer erzählt ihr am liebsten?

Ulrich: Da gibt es viele. Eines fand vor 30 Jahren statt: Wir waren auf einer schweren Alpinen Tour und beim Abseilen wurde es schon dunkel. Grund dafür war, dass wir unbedingt noch die Route klettern wollten. Stirnlampen hatten wir keine dabei, Handys gab es zu der Zeit nicht. Also mussten wir an einer Abseilstelle an der Wand übernachten – 300 Meter hoch, der Boden war nicht zu sehen. Natürlich ist dann ausgerechnet ein Gewitter herangezogen.

Michael: Wir mussten da durch. Da wir nur einen Pulli dabeihatten, haben wir die ganze Nacht gefroren. Außerdem haben wir gehofft, dass die Steine, die von oben herabgefallen sind, uns nicht treffen. Das war ein sehr spannendes Abenteuer.

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