„Es ist ein tägliches Coming-out“ – Aiden Lane Ziegler im Interview | Aktuelle Nachrichten und Informationen

Aiden Lane Ziegler ist Teil der Leitung von „Queer Augsburg“. Im Alter von etwa Anfang 30 hatte er sein Coming-out als trans und spricht offen über den steinigen Weg hin zu dem Mann, der er heute ist.

„Es ist ein tägliches Coming-out“ – Aiden Lane Ziegler im Interview

Ein täglicher Kampf gegen Diskriminierung, ein tägliches Coming-out: Aiden Lane Ziegler ist 38 Jahre alt und ein trans Mann. Heute hält er zahlreiche Vorträge und klärt Menschen über das Thema auf. Doch noch immer sieht er sich von der Gesellschaft ausgeschlossen und ist oftmals das Ziel von queer-Feindlichkeit.

Hallo Augsburg: Wann hast du angefangen, dich mit dem Geschlecht, das bei der Geburt eingetragen wurde, unwohl zu fühlen?

„Immer wieder flackerten Bedenken auf, dass ich nicht in das Stereotyp Frau passte. Doch ich schob die Gedanken beiseite, denn ich brauchte nicht noch weitere Diskriminierungseinheiten.“

Ziegler: Ich finde das Narrativ „Ich wusste es schon immer“, welches in den Medien gerne verbreitet wird, sehr toxisch. Das wird uns trans Menschen einfach nicht gerecht. Natürlich gibt es Leute, die es schon früh wissen – aber viele eben auch nicht. Ich selbst hatte mein inneres Coming-out mit Anfang dreißig, also erst relativ spät. Das lag jedoch mit Sicherheit auch daran, dass es zu der Zeit, in der ich Teenager war, kaum Repräsentation von trans Menschen gab.

Hallo Augsburg: Wie kam es dann zu deinem Coming-out?

Ziegler: Ich habe angefangen mehr im Internet zu recherchieren und bin dort auf andere trans Menschen gestoßen. Dadurch konnte ich mich mehr mit dem Gedanken anfreunden und diesen bewusst zulassen.

Hallo Augsburg: Und wie hast du den Tag deines öffentlichen Coming-outs erlebt?

„Es gibt keinen Coming-out-Prozess, der abgeschlossen ist.“

Ziegler: Es gibt keinen Tag, an dem man das sagt und es ist abgeschlossen. Jeden Tag, wenn ich die Bäckerverkäuferin verbessere, dass ich nicht „die Dame“ bin, die als nächstes drankommt – ist das ein Coming-out-Prozess. Jeden Tag, wenn ich nach draußen gehe – ist das ein Coming-out-Prozess. Dieser ist also niemals abgeschlossen.

Hallo Augsburg: Wie hat dein Umfeld darauf reagiert?

Ziegler: Die Reaktionen waren größtenteils nicht gut. Ich habe die Hälfte meiner Freund:innen verloren und auch innerhalb meiner Familie war es schwierig.

Hallo Augsburg: Was ist für dich das Schwerste daran, ein trans Mann zu sein?

„Es ist jeden Tag ein Struggle, weil die Gesellschaft ein festes Bild hat, wie ein Mann aussehen muss.“

Ziegler: Ich muss die Leute jedes Mal berichtigen, mit welchen Pronomen ich angeredet werde. So kann ich in keine Gastronomie gehen, ohne befürchten zu müssen, dass ich queer-feindlich angegangen werden könnte. Nur selten erfahre ich auf meine Verbesserungen hin Verständnis und Respekt. Stattdessen ist es den Leuten meist egal, ich werde ignoriert oder kriege direkte Transfeindlichkeit ab. Das wird als Mann erst besser, falls man medizinisch transitioniert und wenn die Stimme dadurch dann tiefer klingt – so wird man von anderen für eine cis Person gehalten.

Hallo Augsburg: Wie ist das Dating als trans Person?

Ziegler: Viele Leute vertreten die Meinung, man müsse das trans-Sein gleich zu Beginn eines Dates offen legen. Doch da sage ich ganz klar: Nein. Diese Aussage allein ist schon transfeindlich. Wenn es nur um die Genitalien geht, warum datet man dann überhaupt?

Hallo Augsburg: Du bist Teil der Leitung von Queer Augsburg und leistest viel Aufklärungsarbeit. Das ist bestimmt auch sehr herausfordernd. Wieso hast du dich dazu entschieden?

Ziegler: Mein äußeres Coming-out war im Sommer 2019, also kurz bevor die Pandemie losging. Damals haben mir trans Anschlusspersonen gefehlt, deshalb habe ich bewusst im Internet nach queeren Gruppen gesucht. So bin ich auf Queer Augsburg gestoßen, das zu dieser Zeit online Treffen veranstaltet hat. Ich habe dann auch ein paar Vorträge über verschiedene Themen gehalten, da ich unbedingt darüber aufklären wollte – und ehe ich mich versah, war ich plötzlich ein Teil der Leitung.

Hallo Augsburg: Du setzt dich sehr für trans inklusive Sprache ein. Warum ist dir das so wichtig?

Ziegler: Das ist für mich eine Form der Sichtbarkeit und ein Zeichen der Repräsentation. Ein Beispiel: Es wird immer von „schwangeren Frauen“ und „stillenden Müttern“ gesprochen – doch jeder Mensch mit Uterus kann potentiell schwanger werden. Das kann ebenso ein trans Mann oder eine nicht binäre Person sein. Hier müssen wir uns weiter fragen, ob dann die medizinische Versorgung für uns überhaupt gewährleistet ist? Schließlich gehen die Ärzt:innen bei einem solchen Fall ja von einer Frau aus. Irgendwo riskieren wir da auch unser Leben.

Hallo Augsburg: Viele Leute finden die Gender Diskussion „anstrengend“ und sagen, es würde die Sprache zerstören. Was ist deine Meinung dazu?

Ziegler: „Anstrengend“ ist immer eine sehr schöne Ausrede. Dieser Begriff wird meist von cis Menschen verwendet im Sinne von: „Ich bin aus der privilegierten Position und möchte mein Privileg nicht aufgeben, dich zu inkludieren.“ Das ist meine Meinung dazu.

Hallo Augsburg: Was würdest du Leuten raten, die nicht den Mut auf ein Coming-out haben?

Ziegler: Ich finde nicht, dass man sich outen muss – denn Mut in einer unsicheren Situation ist absolut unangebracht. Doch niemand kann ein ganzes Leben lang hinter einer Maske stecken. Es ist also keine Frage ob, sondern nur eine Frage wann. Die Angst ist natürlich berechtigt, doch ein Coming-out ist die einzige Möglichkeit ein authentisches Selbst zu leben.

Hallo Augsburg: Am 31. März ist der internationale Trans Day of Visibility – was ist an diesem Tag in Augsburg geplant?

Ziegler: Ich halte an diesem Abend einen Vortrag zu dem Thema: „Queer Augsburg Educates: Some men have Vaginas.“ Verbunden ist dieser mit einem Workshop sowie einem Q&A zur trans*-inklusiven Sprache. Los geht es um 18.30 Uhr im Projektraum Rechts-der-Wertach.