Die älteste Sozialsiedlung der Welt: Geschichte der Fuggerei in Augsburg | Aktuelle Nachrichten und Informationen

Als älteste Sozialsiedlung der Welt erlangt die Fuggerei in Augsburg noch immer großes Aufsehen. Gegründet wurde sie von Jakob Fugger, der dadurch Bedürftigen ein Zuhause bot. War er dadurch ein Gutmensch oder doch ein knallharter Geschäftsmann?

Die älteste Sozialsiedlung der Welt: Geschichte der Fuggerei in Augsburg

Die Fuggerei ist eines der bedeutendsten Wahrzeichen der Stadt und zieht jährlich noch immer tausende Tourist:innen an. Diese schlendern durch die von Mauern umgebene Sozialsiedlung, während sie die ockergelben Reihenhauszeilen bewundern. Dabei können sie zudem eine der rund 60 Quadratmeter großen Wohnungen besichtigen, die historisch rekonstruiert und passend eingerichtet wurde.

Das Gesicht hinter der Sozialsiedlung

Jakob Fugger war ein Mann mit Visionen, dessen Name in die Geschichte eingegangen ist. Er wurde im März 1459 in Augsburg geboren und entstammte einer bereits wohlhabenden Handelsfamilie. Nachdem er in Italien eine Ausbildung zum Kaufmann absolviert hatte, übernahm er im Alter von 28 Jahren mit seinen Brüdern den Familienbetrieb. Seine Pläne waren groß: Er wollte aus der Augsburger Firma eine weltumspannende Handelsorganisation machen.

Was folgte, bleibt wohl einzigartig in der deutschen Wirtschaftsgeschichte: Jakob Fugger baute das Familiengeschäft innerhalb weniger Jahrzehnte zu einem europaweit tätigen Unternehmen aus. Während sich die Firma anfangs auf den Handel mit Baumwolle beschränkte, stiegen die Brüder schnell auch in den Erzbergbau mit ein und handelten mit Silber, Kupfer sowie anderen Bodenschätzen. Bereits um 1500 beherrschte die Familie den europäischen Markt in diesem Geschäft. Die Federführung gehörte dabei stets Jakob, der nach dem Tod seiner Brüder Ulrich und Georg (1506 und 1510) die alleinige Leitung übernahm.

Durch sein Aufstreben konnte der Augsburger Bankier nicht nur den Handel bestimmen, sondern hatte auch maßgeblichen Einfluss auf die europäische Politik sowie die Kirche. Indem er Fürsten, Königen und Kaisern Geld lieh, machte er diese von seinem Unternehmen abhängig. Ein großes Ausmaß nahm dies bei Kaiser Maximilian I. an, der einen ausschweifenden Lebensstil sowie zahlreiche teure Kriege führte. Im Gegenzug zu den Darlehen erteilte der Kaiser den Fuggern Handelsvorteile und änderte Gesetze zu ihren Gunsten.

Das Vermögen von Jakob Fugger betrug bei seinem Tod im Jahr 1525 mehr als zwei Millionen Gulden, was den Handelsmann in der heutigen Zeit zu einem mehrfachen Euro-Millionär gemacht hätte. Doch schon zu Lebzeiten bekam das Ansehen des Augsburgers erste Risse, die über die Jahre hinweg zu großen Kratern heranwuchsen. Die Bürger blickten argwöhnisch auf den unermesslichen Reichtum der Familie und der Name wurde im Volksmund mit negativen Charaktereigenschaften verbunden. Aufgrund der engen finanziellen Bindung ging der Niedergang des Fugger-Imperiums mit dem der europäischen Königshäuser einher. Als der Dreißigjährige Krieg (1618 bis 1648) ausbrach und auch die Wirtschaft stark in Mitleidenschaft zog, wandten die Fugger dem Geschäftsleben schließlich den Rücken zu.

Fuggerei: Von der Gründung bis zur Gegenwart

Der Name Jakob Fugger lebt noch heute in der Geschichte weiter – und das nicht nur wegen seines imposanten Aufstiegs in der Handelsbranche. Stattdessen hat er durch die Fuggerei ein Denkmal geschaffen, welches noch immer nach seinen Regeln fortgeführt wird.

Die Geschichte der heute ältesten Sozialsiedlung geht bis ins Jahr 1521 zurück, als Jakob Fugger insgesamt 52 zweistöckige Häuser mit 102 Wohnungen errichten ließ. Bettler:innen wurden nach Willen des Stifters nicht aufgenommen. Stattdessen durften nur von Armut betroffene Handwerker und Tagelöhner einziehen, die aus eigener Kraft keinen Haushalt führen konnten. Diese mussten außerdem aus Augsburg kommen und der katholischen Kirche angehören. Im Gegenzug zu der Unterkunft mussten die Bewohner:innen eine symbolische Miete von einem Rheinischen Gulden im Jahr zahlen sowie täglich drei Gebete für die Stifterfamilie sprechen. Für viele diente die Zeit in der Fuggerei einer kurzen Erholungsphase, um im Falle des wirtschaftlichen Erfolgs wieder ausziehen und anschließend eigenständig auf den Füßen stehen zu können.

Im Laufe der Jahrhunderte musste die Sozialsiedlung immer wieder schwere Schicksalsschläge einstecken. Bereits im Dreißigjährigen Krieg wurde sie weitestgehend zerstört und auch der Zweite Weltkrieg ließ sie nicht unverschont. Doch die Gebäude wurden stets wieder aufgebaut, sodass die Fuggerei vielen bekannten Persönlichkeiten als Zuhause dienen konnte. So lebte beispielsweise Franz Mozart, der Urgroßvater des Komponisten Wolfgang Amadeus Mozart, von 1681 bis zu seinem Tod 1694 in der Sozialsiedlung.

Aktuell dient die Fuggerei rund 150 bedürftigen Augsburger Bürger:innen als zu Hause. Diese haben eine Jahresmiete von 0,88 Euro zu zahlen, welche dem Wert von einem Rheinischen Gulden entspricht. Auch an den täglichen drei Gebeten wird weiterhin festgehalten. Doch trotz der alten Traditionen und Regeln hat sich in der Fuggerei vieles verändert. Beispielsweise sind neben den Wohnungen mittlerweile auch verschiedene Museen auf dem Gelände untergebracht. Dabei kann sowohl ein eingerichtetes Haus als auch ein ehemaliger Bunker besichtigt werden. Außerdem wird die Sozialsiedlung heute durch die Fürstlich und Gräflich Fuggersche Stiftungs-Administration verwaltet. Das Seniorat besteht also noch immer aus Nachkommen der Familie.