Kunst ist überall zu finden. Ja, auch in den zahlreichen Baustellen, die uns Augsburgern tagtäglich begegnen. Dass es dafür oft nur einen Perspektivwechsel braucht, zeigt die Fotografin Sigrun Lenk in ihrer neuen Ausstellung „Kunst aufgespürt“. In ihren 60 ausgestellten Werken lässt sie uns teilhaben an ihrer Perspektive des Gaswerks, Textilviertels und Reese-Areals. An den kunstvollen, ja sogar ästhetischen Momenten, die man besonders an Orten wie Baustellen meist nicht erwarten würde. Noch bis zum 20. Februar 2020 kannst Du die Fotografien im Ballettsaal im Kulturhaus abraxas betrachten, anhand derer Sigrun Lenk nicht nur den Wandel dieser Orte dokumentiert, sondern vor allem zeigt, welche Schönheit im Moment steckt. Wir waren mit ihr im Gespräch.
Bitte erzählen Sie mir ein bisschen von sich. Wie kamen Sie zur Fotografie?
Schon als Zehnjährige hat mich dieses Medium interessiert und ich bekam meine erste Kodak instamatic Kamera. Ein Vorbild für mich war mein Großvater, der fleißig fotografierte. Während meines Studiums an der Fachhochschule Augsburg - Kommunikationsdesign, entschied ich mich schnell für den Schwerpunkt Fotografie. Für mich war dies das stärkste Ausdrucksmittel. Schnell merkte ich auch nach einer Reise nach New York wie mich die Architektur faszinierte. Von da an habe ich mich auch beruflich der modernen, aber auch der historischen Architektur zugewandt.
„Für mich war Fotografie das stärkste Ausdrucksmittel.“
Wie würden Sie selbst Ihren Fotografie-Stil beschreiben?
Dokumentarisch-soziologisch und immer in eine künstlerische Richtung. Meine Bilder „erzählen“ eine Situation.
An welchem Projekt arbeiten Sie gerade?
Ich habe immer mehrere Projekte am Laufen. Seit 1999 arbeite ich fotografisch an der Veränderung im Textilviertel Augsburg; seit 2004 und seit 2017 intensiv am Projekt Gaswerk, das sich u.a. zum Kreativ- und Kulturzentrum verändert (dort habe ich auch mein Atelier, in den Östlichen Werkstätten); seit 2017 am Projekt Reese-Areal und Sheridan Areal; seit 2017 am Projekt Sanierung und Neubau Staatstheater Augsburg; aber auch ganz freie rein künstlerische Projekte wie „Netzwerke“, „Brandzeichen“, „Sigrun auf der Bank“ etc.
Besonders die Arbeiten Ihrer neuen Ausstellung drehen sich um Baustellen - Woher kommt Ihre Faszination für dieses Motiv?
Ich bin in einem Industriegebiet in Augsburg mit viel Lärm und Schmutz aufgewachsen. Das hat mich als Kind erschreckt, aber auch fasziniert. Da ich sehr an der Veränderung interessiert bin, halte ich gerne in der Architektur den Status „jetzt“ (schnell ist er bei einem Abriss vergessen) und „Sanierung - Umnutzung, Abriss, Neubau und das gelungene oder weniger gelungene Zusammenspiel“ fest. Diese Botschaft gebe ich gerne an die Bewohner einer Stadt weiter.
„Industriegebiete haben mich als Kind erschreckt, aber auch fasziniert“
Brauchen Sie eine besondere Erlaubnis, um auf Baustellen fotografieren zu dürfen?
Ja, immer und das dauert oft sehr lange. Aber meistens komme ich doch zum Ziel, worüber ich sehr froh und dankbar bin. Vom Bauzaun aus sind nur „Notaufnahmen“ möglich, wie ich das nenne.
Haben Sie Lieblingsorte in Augsburg zum Fotografieren?
Ganz klar das Gaswerk-Gelände.
Wonach suchen Sie, wenn Sie auf Fototour gehen? Wie viel Vorplanung steckt in Ihren Bildern und wie viel entsteht spontan?
Ich suche meistens nach Architekturmotiven, die ich spannend finde. Entweder, wenn die Gebäude sehr modern und gelungen sind oder auch gerne betagte, heruntergekommene Objekte, die einen unglaublichen Charme auf mich haben. Dafür eignen sich auch die östlichen Bundesländer, wo ich seit 2000 fotografiere.
Ich verfolge immer das Wetter, denn davon bin ich abhängig und wie der Sonnenstand, das Licht steht. Spontan entsteht aber auch viel, wenn ich unterwegs bin und das Wetter eben nicht beeinflussen kann. Es gibt kaum ein Wetter, wo man keine interessanten Aufnahmen machen kann, nur eben auch Idealsituationen.
„Es gibt kaum ein Wetter, wo man keine interessanten Aufnahmen machen kann“
Haben Sie ein Lieblingsbild in Ihrer aktuellen Ausstellung?
Ja, ein Bild im Gaswerk vom Februar 2018, genauer im Anbau Ofenhaus an der Nordwand vom historischen Gebäude. Das Motiv, in dem ein „Gesicht“ mit weißen Zähnen, Augen und der Locke links erkennbar ist.
Gibt es eine Person oder ein Kollektiv, das Sie besonders inspiriert, oder Ihre Arbeit besonders beeinflusst?
Das Künstler-Ehepaar Bernd und Hilla Becher sind meine Vorbilder.
Welchen Rat oder Tipp würden Sie neuen Fotografen geben?
Die Motive zu fotografieren, wo Bauch, Herz und Kopf sich beim jeweiligen Fotografen/in angesprochen fühlen. Und vor allen Dingen sehr gezielt und wenig Fotoaufnahmen zu machen. Nicht die Menge macht es, sondern das gute Motiv. Der Rest landet nur auf der Festplatte und wird nie wieder angesehen. Das wäre schade.
„Nicht die Menge macht es, sondern das gute Motiv.“
Welches Wunsch-Projekt haben Sie für die Zukunft?
Ein Projekt wie die sehr gelungene Sanierung und Neugestaltung der Moritzkirche in Augsburg würde ich gerne von Anfang an bis zum Abschluss fotografieren. Dieser Kirchenraum übt eine Faszination auf mich aus.
Facts zur Ausstellung:
Wo? Balletsaal im Kulturhaus abraxas, Sommestr. 30, 86156 Augsburg
Wann? bis 20. Februar 2020
Öffnungszeiten: Mo 13:30–16:30 Uhr, Di–Do 8:30–12:30 Uhr und 13:30–16:30 Uhr, Fr 8:30–12:30 Uhr
Eintritt frei
Info: www.fotodesign-lenk.de