Am 24. Januar 2022 kam es zu einem Amoklauf in der Universität Heidelberg. Amokläufe können an jedem menschenbelebten Ort stattfinden. Die TäterInnen befinden sich dabei in einer psychischen Extremsituation und sind absolut unzurechnungsfähig und gewaltbereit. Waffen verschiedenster Art werden mit dem Ziel eingesetzt, Menschen zu verletzen oder zu töten. Die Auswahl der Opfer ist meist willkürlich – nahezu jeder Mensch der sich dem/der TäterIn zeigt wird angegriffen und schwerstmöglich verletzt oder getötet. Deshalb ist es wichtig, die richtige Vorgehensweise zu kennen.
Im öffentlichen Raum
Findet ein Amoklauf im öffentlichen Raum, wie zum Beispiel in einem Einkaufszentrum statt, gilt die Regel Run - Hide - Fight.
Run
Die beste Option ist Abhauen. Falls möglich solltet ihr immer wegrennen, um euch aus der Situation zu befreien. Ein bewegliches Ziel ist schlechter zu treffen als ein statisches. Ihr könnt zum Beispiel auch Zickzack laufen, damit ihr schwerer zu treffen seid. Je weiter ihr weg seid, desto mehr Zeit braucht der Täter, um anzusetzen und zu zielen. Zeit, in der ihr wiederum noch weiter weg fliehen könnt. Die TäterInnen stehen unter Stress und zum gezielten Schießen brauchen sie Konzentration. Durch Fliehen, wird der Stress der TäterInnen erhöht und somit auch die Chance, dass sie einen Fehler machen, erklärt der Amok-Experte und Gewaltdeeskalations-Trainer Heinz Kraft in einem Interview mit ntv. Deshalb gilt: Bewegen heißt Leben. Den größten Fehler, den ihr machen könnt, ist, die Arme hochzuheben oder euch vor den TäterInnen auf den Boden zu legen.
Hide
Ist fliehen nicht möglich, gilt es sich möglichst gut zu verstecken. Am allerbesten wäre es sich so zu verstecken, dass ihr den/die TäterIn noch im Blick habt. Dann könnt ihr die Polizei anrufen und genaue Angaben über das Verhalten und seinen/ihren Standort durchgeben. So können die Einsatzkräfte den/die AmokschützIn viel schneller außer Gefecht setzen, erläutert Gewaltdeeskalationstrainer Heinz Kraft.
Eine schwierige Situation kommt dann auf, wenn ihr aus eurem Versteck jemanden seht, der verletzt ist. Denn hier muss der automatische Hilfeinstinkt außer Kraft gesetzt werden. Ihr könnt die Situation in dem Moment nicht verbessern. Im schlimmsten Fall gefährdet ihr nur zusätzlich euer Leben. Den Opfern kann erst dann geholfen werden, wenn der/die TäterIn außer Gefecht gesetzt ist, sagt der Amok-Experte. Das strebt dem Menschen natürlich emotional wider, aber Amokläufe sind absolute Extremsituationen, in denen die klassischen Normen und Wertvorstellungen nicht mehr gelten.
Fight
Das Worst-Case-Szenario wäre, dass ihr weder fliehen noch euch verstecken könnt. Dann gilt: Fight. Wolle man einen Amoktäter aufhalten oder zumindest ausbremsen, "dann muss man ihn irritieren", sagte Gewaltdeeskalationstrainer Heinz Kraft gegenüber ntv. Einen Amoktäter zur Aufgabe zu überreden, sei so gut wie unmöglich. Man könnte beispielsweise Sand in die Augen werfen oder irgendeinen Gegenstand, den man griffbereit hat, gegen den Kopf schmeißen. Denn dann muss sich der/die TäterIn erst einmal selbst verteidigen, und ihr gewinnt Zeit. Und wenn es nur drei Sekunden sind. Die könnten euch schon zwölf Meter weiterbringen und die Chancen, zu treffen, minimieren.
In Schulen, anderen Bildungseinrichtungen oder am Arbeitsplatz
Die meisten Schulen, Bildungseinrichtungen oder Unternehmen haben ihr eigenes Protokoll, wie bei einem Amokalarm vorzugehen ist. Dies ist aber meist ähnlich.
Es sollte eine Person geben – in der Regel ist das der Lehrer –, die Chaos verhindert und eine klare Ordnung vorgibt. Als KrisenmanagerIn sagt die Lehrkraft an, was von wem zu tun ist. Die Struktur vermittelt den SchülerInnen ein Gefühl von Sicherheit. Während sie handeln, haben sie weniger Zeit über die hochbedrohliche Situation nachzudenken und deswegen panisch zu werden.
Als erstes muss natürlich der Alarm ausgelöst werden, damit alle alarmiert sind und die Polizei Bescheid weiß. Dann heißt es: verbarrikadieren. Eine Flucht ist meist nur schwer möglich, wenn sich der/die TäterIn bereits im Gebäude befindet. Auf einem Flur die „richtige“ Fluchtrichtung zu finden, ist, wenn keine Informationen über einen Täteraufenthalt vorliegen, wie ein Glücksspiel. In solchen Situationen ist eine Risikominimierung „auf null“ nicht möglich. Deshalb ist es am besten sich in den Räumen einzuschließen und gegebenenfalls mit Tischen die Tür zu verbarrikadieren. Die SchülerInnen und LehrerInnen sollten sich alle auf den Boden legen. Außerdem gilt es Türen und Fenster zu meiden, sich also in einen toten Winkel begeben.
Alle im Raum müssen leise sein, um zu vermitteln, dass das Klassenzimmer leer ist. Eines der schwersten Szenarien ist, wenn sich noch jemand im Gang befindet und in einen Raum möchte. Hier darf nämlich auf keinen Fall geöffnet werden. Die AmokläuferInnen könnten die Person vor der Tür bedrohen oder selbst die Stimme verstellen. Deswegen gilt für Personen, die keinen offenen Raum mehr finden: Fliehen und/oder Verstecken. Keinesfalls das Gespräch mit den TäterInnen suchen und versuchen sie aufzuhalten.
Auch hier ist das Worst-Case Szenario, dass der/die AmokläuferIn den Raum betritt. In einem solchen Fall bleibt nur noch der Angriff als letzte Option. Hier wird oft geraten, dass alle zusammen gegen den Täter oder die Täterin vorgehen. Am besten hat eine Person das Kommando, die dann auch die anderen aus der eventuellen Schockstarre reißen kann.
Für alle in geschlossen Räumen gilt: Das Gebäude darf erst durch Aufforderung der Polizei verlassen werden. In den meisten Schulen gibt es dann einen vorgesehenen Sammelplatz, beispielsweise der Sportplatz.
Im Großteil der Schulen wird ein Amokalarm nicht geprobt. Somit sind SchülerInnen meistens unvorbereitet und LehrerInnen überfordert. Das liegt daran, dass von Ministerien, Polizei und Schulbehörden fast durchweg davon abgeraten wird, SchülerInnen ähnlich wie bei Brandschutzübungen auf Amoklagen vorzubereiten. Das verunsichere und beunruhige Eltern und SchülerInnen, lautet die übliche Begründung für diese Haltung.
Mittlerweile befassen sich aber mehr Schulen mit dem Thema und laden die Polizei beispielsweise zu Elternabenden ein. Das sensible Thema „Amok“ muss einfühlsam, altersgerecht und Mut machend aufgegriffen und aufbereitet werden. Es müssen alle – Schule, Eltern und SchülerInnen – einbezogen werden und alle müssen das Konzept „Verhalten bei Amokalarm“ gemeinsam tragen. Die kann für den Ernstfall gut vorbereiten. Denn Unwissen verbreitet Panik.